Bücher, Podcasts, Dokus – helfen euch diese Medien ebenfalls komplexe Sachverhalte zu verstehen? Im Advent habe ich auf Instagram einen Adventskalender mit 24 Büchern, die ihr als klima- und digitalpolitisch Interessierte gelesen haben solltet, vorgestellt. Lest hier noch einmal die Beiträge zu den Büchern, um was es geht und warum ich das jeweilige Buch empfehlenswert finde.
Alle hier vorgestellten Bücher könnt ihr euch auch im GRÜNEN Quartier zum Lesen ausleihen. Also kommt gern vorbei!
- David Nelles und Christian Serrer – „Kleine Gase, Große Wirkung“
- Chris Piallat – „Der Wert der Digitalisierung“
- Susanne Götze und Annika Joeres – „Die Klimaschmutzlobby“
- Greta Thunberg – „Das Klimabuch“
- Johanna Romberg – „Federnlesen“
- Katharina Nocun – „Die Daten, die ich rief“
- David Nelles und Christian Serrer – „Machste dreckig – Machste sauber: Die Klimalösung“
- Shoshana Zuboff – „Das Zeitalter des Überwachungskapitalismus“
- Tom Hillenbrand – „Hologrammatica“
- Maja Göpel – „Unsere Welt neu denken“
- Matthias Kirschner und Sandra Brandstätter – „Ada und Zangemann“
- Marc Elsberg – „Blackout“
- Tom Hillenbrand – „Drohnenland“
- Jeremy Rifkin – „Die Null-Grenzkosten-Gesellschaft“
- Katja Diehl – „Autokorrektur“
- Frank Herbert – „Dune – Der Wüstenplanet“
- Marcel Fratzscher – „Geld oder Leben“
- Luisa Neubauer und Dagmar Reemtsma – „Gegen die Ohnmacht“
- Sebastião Salgado – „Genesis“
- BUND – „Braunkohleatlas 2017“
- Kerstin Lücker (Hrsg.) – „In tiefer Sorge“
- Ulrike Herrmann – „Das Ende des Kapitalismus“
- David Attenborough – „Der lebendige Planet“
- Maja Göpel – „Wir können auch anders“
1. David Nelles und Christian Serrer – „Kleine Gase, Große Wirkung“
Der erste Lesetipp ist das Buch „Kleine Gase, Große Wirkung”. David Nelles und Christian Serrer beweisen, dass es auch Spaß machen kann, sich über den Klimawandel zu informieren. Mit Hilfe sehr übersichtlicher und leicht zu verstehender Grafiken, zeigen die beiden Autoren sehr anschaulich und auch für Laien verständlich, was Klimawandel überhaupt ist, wo dessen Ursachen begründet sind und welchen Einfluss er auf die Ökosysteme unseres Planeten und natürlich auch auf den Menschen hat. Das Buch leistet damit einen enorm wertvollen Beitrag zur Bekämpfung von Fake News und ist vollkommen verdient der Auftakt im Adventskalender.
Eine Leseprobe gibt es hier.
2. Chris Piallat – „Der Wert der Digitalisierung“
Beim Thema Digitalisierung wird meiner Erfahrung nach häufig gern Buzzword-Bingo gespielt. Alle reden zwar von der digitalen Transformation, aber nur die wenigsten verstehen, was damit eigentlich gemeint ist. Oder noch wichtiger, welche Werte und Ziele damit verfolgt werden sollen. Damit Digitalisierung nicht nur um sich selbst Willen vorangetrieben wird, erörtert dieser Sammelband mit Beiträgen von über 30 Autoren und Autorinnen (z.B.: Julia Kloiber und Tilman Santarius) vor allem, welche Werte besonders Beachtung finden müssen, um eine Digitalisierung für alle statt für einige wenige zu schaffen. Im Besonderen wird darauf eingegangen, wie wir auch in einer digitalen Welt noch in Freiheit (entscheidet der Computer oder ich?) selbstbestimmt leben können, wie Gerechtigkeit für alle gewährleistet werden kann (werden Frauen benachteiligt durch KI?) und wie wir auch im digitalen Raum Privatsphäre garantieren können.
Im März hatte ich das Buch den neuen Mitgliedern des Beirats Digitale Wertschöpfung zugesandt, denn diese beraten die Staatsregierung zu Fragen der Digitalpolitik und sind maßgeblich an der Erarbeitung der Digitalstrategie beteiligt.
3. Susanne Götze und Annika Joeres – „Die Klimaschmutzlobby“
Habt ihr euch auch schon mal gefragt, warum das alles so lange dauert mit dem Klimaschutz?! Eigentlich sind die wissenschaftlichen Fakten zur Klimakrise doch eindeutig – der Mensch ist verantwortlich. Trotzdem passiert nur wenig und dann auch noch viel zu langsam. Das Buch von Susanne Goetze und Annika Joeres geht genau diesem Problem auf die Spur. In dem Buch wird schonungslos aufgezeigt, wie die fossile Lobby überall auf der Welt an entscheidenden Stellen Ihren Einfluss geltend macht und so effektiven Klimaschutz verhindert. Ob es sich um die Verbreitung von Fake News oder die Einflussnahme auf Gesetzgebungsprozesse handelt, die beiden Autorinnen decken sehr akribisch und stets mit Quellen belegt die Strategien, Netzwerke und Argumente der Klimaschutzbremserinnen und -bremser auf. Was die beiden hier aufgeschrieben haben, ist kaum zu glauben, aber leider doch wahr.
Annika Joeres war bei Jung & Naiv zu Gast und hat zentrale Recherchen aus dem Buch vorgestellt.
4. Greta Thunberg – „Das Klimabuch“
Schon die Covergestaltung mit den Warming Stripes nutzt den Platz, um das Problem zu veranschaulichen.
Als Greta damals die Fridaysforfuture ‚SKOLSTREJK FÖR KLIMATET“ Proteste startete, hatte sie immer Flugblätter dabei, die über die Folgen unseres Handels aufklärten und viele Infos rund um den Klimawandel enthielten.
Nun, vier Jahre später, stehen ihr führende Expert:innen (wie hierzulande vielleicht bekannt Stefan Rahmstorf, Ricarda Winkelmann oder internationale Bekanntheiten wie Naomi Klein oder Margaret Atwood) aus allen relevanten Forschungsfeldern zur Seite und klären in Aufsätzen zu den übergeordneten Themenbereichen „Wie das Klima funktioniert“, „Wie unser Planet verändert wird“, „Die Folgen für uns“, „Was wir dagegen unternommen haben“ und „Was wir jetzt tun müssen“ über ihre Forschungsfelder auf. Zwischendurch meldet sich immer wieder Greta selbst zu Wort und ordnet die wissenschaftlichen Ergebnisse in einen größeren Zusammenhang und aus Perspektive der jüngsten Generation ein. Zusammen ergibt sich ein tieferes Verständnis für vielfältige Dimensionen der Krise und natürlich der eindringliche und niemals verstummende Appell:
Wir dürfen nicht müde werden, für unsere hochsensiblen Ökosysteme zu kämpfen und unsere Lebensgrundlagen, unser Klima zu schützen!
5. Johanna Romberg – „Federnlesen“
Durch die Corona-Pandemie müsste ich mir ein neues Hobby suchen, das möglichst unter freiem Himmel und an frischer Luft stattfindet und dann auch noch sehr abwechslungsreich ist. Wie der Zufall so will, fiel meine Wahl auf die Beobachtung von Vögeln. Eines der ersten Bücher, die ich mir zu diesem Thema gekauft habe, war „Federnlesen” von Johanna Romberg, mit dem sie uns „vom Glück, Vögel zu beobachten” berichtet.
In einer wunderschön komponierten Geschichte nimmt Sie uns mit auf ihre über 50 Jahre lange Reise zu und mit den Vögeln. Sie erklärt uns z. B. wie ein Huhn eine Lebensfrage auslösen konnte, warum Spechte immer auf der „falschen” Seite des Baums laufen, warum man als Birder für Spaziergänge mit „normalen Menschen” nicht mehr geeignet ist, aber auch, welchen Einfluss die EU-Agrarpolitik auf das Leben der Wiesenvögel wie den Kiebitz hat. Diese zauberhafte Mischung an Wissen, Illustrationen, Geschichten und Liebe zu den Tieren hat mich vom ersten Wort an überzeugt und eignet sich auch hervorragend als (Weihnachts-)Geschenk.
6. Katharina Nocun – „Die Daten, die ich rief“
„Es gibt kein analoges Leben in einer digitalen Welt.“ – dieser Satz aus dem Buch selbst fasst den Inhalt sehr gut zusammen.
Am eigenen Leib zeigt die Autorin Katharina Nocun in ihrem Buch, wie sehr wir heute in einer immer weiter digital vernetzten Welt leben. Angetrieben durch eine fragwürdige Kameraüberwachung bei einem Sauna-Besuch, begibt sie sich auf die Spur ihrer Daten. Ob beim Shoppen bei Amazon, das Tragen eines Fitness-Trackers oder die tägliche Dosis Social Media. Überall hinterlassen wir Daten, welche gesammelt und für ökonomische Zwecke ausgewertet werden. Damit wird Datenschutz zu einer der wichtigsten Fragen unserer heutigen Gesellschaft. Es geht dabei aber nicht um den Schutz von Daten, sondern um den Schutz von Menschen und deren informationelle Selbstbestimmung. Es geht um die Kontrolle darüber, welche Informationen wir mit wem teilen. In leicht verständlicher Sprache argumentiert Katharina Nocun anhand vieler persönlicher Beispiele dafür, warum wir uns vor der unkontrollierten Überwachung von Konzernen und staatlichen Behörden schützen müssen, um selbstbestimmt in der digitalen Zukunft leben zu können.
Ich selbst habe Katharina Nocun bereits live erlebt. Auf dem 35. Chaos Computer Congress (35C3) hat sie Teile der Ergebnisse ihrer Recherche für das Buch auf sehr unterhaltsame, aber auch teils erschreckende, Weise vorgestellt. Schaut euch den Vortrag unbedingt mal an!
7. David Nelles und Christian Serrer – „Machste dreckig – Machste sauber: Die Klimalösung“
Der zweite Band ist ebenfalls empfehlenswert! David Nelles und Christian Serrer haben ein weiteres Buch zu *Lösungen* für das größte Problem unserer Zeit vorgelegt. Die Grafiken von Eva Künzel und Jörg Maier sowie Lisa Schwelger, Stefan Kraiss und Janna Geisse machen Knackpunkte auf einen Blick verständlich und die inhaltliche Tiefe gibt’s durch die 250 (!) mitwirkenden Wissenschaftler:innen.
In 8 Kapiteln zu Klimawandel, Energie, Gebäude, Verkehr, Landwirtschaft, Industrie, CO2-Entfernung sowie Politik, Wirtschaft und Gesellschaft schaffen die Autor:innen den Problemhorizont abzustecken, Lösungen für die einzelnen Sektoren aufzuzeigen, Basiswissen zu Vorteilen und Nebenwirkungen von Alternativen zu vermitteln, technische Prozesse einfach zu erklären und gesellschaftliche und soziale Faktoren immer mit im Blick zu behalten. Und am Ende jedes Kapitels gibt es ein kleines Fazit. Empfehlung!
8. Shoshana Zuboff – „Das Zeitalter des Überwachungskapitalismus“
Wer von euch hat die AGB vollständig gelesen, als ihr euch euer neues Smartphone oder den tollen neuen Smart TV eingerichtet habt? Ich wette niemand von euch. Ich auch nicht. Wer hat auch schon die Zeit dafür und vor allem das Wissen, die geschickten juristischen Formulierungen zu verstehen.
Ähnlich hilflos müssen sich damals die Ureinwohner Südamerikas gegenüber den spanischen Eroberern gefühlt haben, als ihnen ihre Rechte auf spanisch vorgelesen wurden. So ähnlich stehen wir heute auch den großen Tech-Konzernen gegenüber, meint die emeritierte Harvard-Professorin Shoshana Zuboff.
In ihrem Buch „Das Zeitalter des Überwachungskapitalismus“ beschreibt sie eine neue Form des Kapitalismus, in der wir Menschen das Produkt sind. Mit jeder Suche und jedem Like liefern wir den kostenlosen Rohstoff für unsere eigene Überwachung: unsere Verhaltensdaten. Diese werden massenhaft als Big Data gesammelt und dann zu unserer eigenen Manipulation ausgewertet.
Zuboff kommt zu dem Schluss, dass es ohne eine Veränderung der öffentlichen Meinung und entsprechender Regulierung keinen effektiven Schutz dagegen geben wird. Sie fordert uns deswegen dazu auf „Sand im Getriebe“ zu sein und sich den Mechanismen des Überwachungskapitalismus zu widersetzen. Mir macht dabei Hoffnung, dass wir in der EU mit der Datenschutzgrundverordnung und den erst kürzlich beschlossen EU-Gesetzen zu Digitalen Diensten und Digitalen Märkten auf dem richtigen Weg sind.
9. Tom Hillenbrand – „Hologrammatica“
Ich habe dieses Buch verschlungen. Bisher haben wir im Adventskalender vor allem über Klimawandel und Digitalisierung aus einer wissenschaftlichen Perspektive gesprochen. Das Buch „Hologrammatica” von Tom Hillenbrand verbindet diese beiden und viele andere Themen zu einer der spannendsten und am besten erzählten Science-Fiction-Detektiv-Roman, die ich jemals gelesen habe. Und als langjähriger Sci-Fi-Fan hab ich schon so einiges gesehen! Es hagelte also nicht umsonst für Ihn Preise für diese Geschichte.
In einer, wie ich finde, extrem realistischen gezeichneten Welt, geprägt durch die Folgen des Klimawandel am Ende des 21. Jahrhunderts, ist es völlig normal, dass die Realität durch holografische Details verbessert wird und Menschen ihre Gehirne in sogennate Cogits uploaden und damit Körper wechseln können, wie sie wollen. In einer Welt in der nichts so ist, wie es auf den ersten Blick scheint, sucht der Detektiv Galahad Singh nach der verschwundenen Programmiererin Juliette Perotte. Ich will an dieser Stelle nicht zu viel verraten, aber je weiter Singh sich in Richtung der Lösung des Verschwindens begibt, desto größer werden seine Zweifel an einem natürlichen Gegenspieler.
10. Maja Göpel – „Unsere Welt neu denken“
Was haben Pollenbestäube-Roboter, Marie Kondos Wegwerfbibel, der Rebound-Effekt und Charles Darwin mit unserem heutigen Wirtschaftssystem und dem Zustand unseres Planeten zu tun? Und wieso haben wir im Angesicht der bereits seit den 80er Jahren bekannten Beweise für den menschengemachten Klimawandel nicht schon längst umgesteuert?
Das 10. Türchen im Adventskalender ist von Maja Göpel „Unsere Welt neu denken. Eine Einladung“ als eine beeindruckende und gut verständliche Analyse unseres Wirtschaftssystems. In ihrem Buch macht sie schonungslos auf Widersprüche unseres Wirtschaftens aufmerksam und deutlich, wie der menschliche Egoismus und das Setzen auf den eigenen Vorteil, die gesamte Zivilisation in die Selbstzerstörung führt:
Waren und Dienstleistungen in unserer Überflusswirtschaft spiegeln nicht den eigentlichen Preis wieder, sondern können nur scheinbar „günstig“ angeboten werden, weil die wahren Kosten von der nachkommenden Generation und Menschen im globalen Süden schon heute getragen werden müssen. Immer mehr macht uns weder glücklich, noch verbindet uns die Idee vom ewigen Wachstum mit uns selbst oder unseren Mitmenschen. Homo oeconomicus ist nicht vollendete Evolution.
Unser Schicksal wird davon abhängen, dass wir zukunftsorientiert Verantwortung für das Gemeinwohl übernehmen und dafür sorgen, dass Chancengerechtigkeit allen Menschen zu Teil wird- in unserer Gesellschaft, aber auch global gesehen- weil nur so Konflikte zwischen Klimaschutz und sozialen Fragen aufgelöst werden können.
Ein großartiges Buch für alle die sich fragen, wie wir gesellschaftlich und ökonomisch die Transformation gut bewältigen können. Von ganz hoher „Flughöhe“ hereingezoomt bis auf die individuelle Ebene: „Bleiben Sie freundlich und geduldig, aber bleiben Sie dran.“
11. Matthias Kirschner und Sandra Brandstätter – „Ada und Zangemann“
Die Verwendung und Verbreitung von Open Source-Software ist eine meiner Herzensangelegenheiten. Ich bin der Meinung, dass Software, die von öffentlichen Geldern bezahlt wird, auch wieder der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden sollte.
Leider ist meinen Gesprächspartner meistens unklar, was sich hinter diesem Begriff eigentlich verbirgt. Damit dieser Zustand künftig möglichst gar nicht erst eintritt, haben Matthias Kirschner und Sandra Brandstätter gemeinsam ein wunderschönes Kinderbuch über Open Source Software geschrieben. Erzählt wird die Geschichte der jungen Ada. Sie beginnt mit Hardware und Software zu experimentieren. Dabei erkennt sie, wie wichtig der eigenständige, freie Umgang mit Software für sie und andere ist. (Spoileralert: es geht um Eiscremé)
In einer Welt, die zunehmend digitaler wird, kann ich ihr da nur zustimmen. Nur wenn wir verstehen, wie Soft- und Hardware miteinander kommunizieren, können wir selbstbestimmt in der Welt der Digitalisierung agieren. Matthias Kirschner ist eines meiner großen Vorbilder und ich verfolge seine Arbeit als Präsident der Free Software Foundation Europe schon lange. Nicht selten hat er mir geholfen, anderen Menschen zu erklären, wie die grundlegenden Rechte von Freier Software (Verwenden, Verstehen, Verbreiten und Verbessern) die Meinungsfreiheit, Pressefreiheit oder Privatsphäre fördern.
12. Marc Elsberg – „Blackout“
Seit dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine ist ein Thema leider sehr häufig und völlig zu Unrecht in der öffentlichen Debatte. Es geht um den „Blackout”. Vor allem von rechtspopulistischen Parteien wird häufig behauptet, dass es im Winter zu Blackouts (einem unkontrollierten großflächigen Stromausfall) kommen wird. Das ist aber so nicht korrekt und leider bloße Stimmungs- und Panikmache. Die großen Übertragungsnetzbetreiber haben das auch bestätigt. Es wurde in den vergangenen Monaten seit Februar mit Hochdruck daran gearbeitet, die in den letzten Jahren versäumten Vorsichtsmaßnahmen nachzuholen. Leider wird der Begriff „Blackout” ohne das Verständnis, was das eigentlich bedeutet, trotzdem blindlings verwendet.
Um dies zu ändern und gleichzeitig für einen spannenden Thriller zu werben, empfehle ich heute das Buch „Blackout” von Marc Elsberg von 2012. Das Buch basiert zu großen Teilen auf einer Studie der Abteilung Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag zur Gefährdung und Verletzbarkeit moderner Gesellschaften – am Beispiel eines großräumigen und langandauernden Ausfalls der Stromversorgung. Sicher, der Grund für den Stromausfall im Buch ist genauso unrealistisch wie so manche Äußerung von Populisten, aber es stellt sehr eindrücklich klar, wie abhängig unsere Gesellschaft von Strom ist – von der Toilettenspülung über die Supermarktkasse bis hin zur Melkmaschine.
13. Tom Hillenbrand – „Drohnenland“
Der Sci-Fi-Krimi Roman „Drohnenland” von Tom Hillenbrand spielt in einer düsteren Zukunft. Menschen tragen Brillen mit Kameras und können dank Augmented Reality noch besser Shoppen. Überall fliegen und krabbeln Drohnen, ohne das man diese wahrnimmt. Alles wird aufgezeichnet und ausgewertet. Die Menschen im Drohnenland leben unter absoluter Überwachung und Kontrolle.
Obwohl diese Geschichte zwar frei erfunden ist, ist die Tendenz dahin leider nicht von der Hand zu weisen. Immer wieder fordern Politiker und Politikerinnen beispielsweise die vom Europäischen Gerichtshof als grundrechtswidrig eingeschätzte Vorratsdatenspeicherung. Es werden Kameras mit Gesichtserkennung im öffentlichen Raum eingesetzt, Kennzeichenscanner installiert und damit Bewegungsprofile erzeugt. Unsere Schritte im Internet werden, wie von Edward Snowden veröffentlicht, minutiös nachverfolgt und die modernen Tracker in Websites erzeugen detaillierte Profile von Vorlieben und Kontakten.
Die Digitalisierung prägt unser Leben schon heute und dieser Einfluss wird sich nur noch vergrößern. Ich bin der Meinung, dass man diese Technik und deren Folgen verstehen können muss, um sie zu verhindern. Und nichts vermittelt das unterhaltsamer als ein guter Krimi zur Weihnachtszeit.
14. Jeremy Rifkin – „Die Null-Grenzkosten-Gesellschaft“
Jeremy Rifkin ist als Ökonom und Autor zahlreicher Bücher umstritten. Jedoch ist er über die Jahre mit seinen Ansichten sehr einflussreich geblieben und hat viele Menschen aus der Politik beraten, unter anderem auch Angela Merkel.
In seinem Buch „Die Null-Grenzkosten-Gesellschaft“ beschreibt er eine Gesellschaft, in der vor allem durch das Internet und die Vernetzung die Grenzkosten vieler Produktionsprozesse gegen Null gehen. Das heißt, sobald die Fixkosten gedeckt sind, lässt sich ein Produkt quasi kostenlos vervielfältigen. Seiner Ansicht nach lässt sich so langfristig kein Profit mehr durch den reinen Verkauf von Produkten machen. Diese Lücke wird dann die sogenannte Sharing Economy füllen, in der nicht mehr der Besitz, sondern der Zugang zu Produkten entscheidend ist. Spotify, Netflix und Co. lassen grüßen.
Dies alles kann aber nur möglich werden, wenn es dazu ein neutrales und offenes Internet gibt. Das macht ihn zu einem Verfechter der Netzneutralität, für die auch ich mich einsetze.
Ob seine Vorstellungen nun so eintreten, mag ich mittlerweile bezweifeln, wie beispielsweise die Erfahrungen aus der Musikbranche mit Spotify zeigen. Nichtsdestotrotz haben mich seine Zukunftsvisionen zum Nachdenken angeregt, weswegen ich euch auch diese Lektüre in meinem Lese-Adventskalender nicht vorenthalten will.
Einen weiteren Einblick in die Gedankenwelt des Jeremy Rifkin gibt der 2018 erschienene Dokumentarfilm „Die dritte industrielle Revolution – Eine radikale neue Sharing Economy“, den ihr euch auf YouTube ansehen könnt.
15. Katja Diehl – „Autokorrektur“
Täglich kann ich es in Leipzig beobachten: zugeparkte Gehwege, „nur mal schnell“ auf Radstreifen halten und ohne Ende Staus zur Rush-Hour. Ganz zu schweigen vom verbrauchten Platz und Lärm, den vielen Verkehrstoten im Jahr und dem Stress. Es gibt zu viele Autos in Deutschland.
Das sagt auch Katja Diehl in ihrem Buch betitelt mit dem schönen Wortspiel „Autokorrektur“. Viele Interviews hat sie geführt, mit Menschen aus ganz Deutschland, die ihr von ganz persönlichen Lebenswelten rund um das Auto berichteten. Darauf basierend beschreibt sie den aktuellen Zustand, die Missstände und unsere Abhängigkeit vom privaten PKW. Sie kommt zu dem Schluss, dass unser Verkehrssystem sexistisch, ableistisch, rassistisch und partriarchal ist.
Was sie damit meint und wie wir diesen Zustand Jahrzehnte langer fehlgeleiteter Verkehrspolitik überwinden, könnt ihr am Besten selbst in ihrem Buch nachlesen. So viel sei verraten: Sie schlägt eine gleichberechtigte, feministische und nachhaltige Mobilitätswende vor.
Ich bin genau wie sie der Meinung, dass wir mit dieser notwendigen Transformation der Mobilität nicht nur etwas gegen die Klimakrise tun können, sondern auch viel mehr (Bewegungs-)Freiheit zurückgewinnen werden.
Erst kürzlich war Katja zu Gast bei Anne Will und vertrat die zentralen Thesen ihres Buchs.
16. Frank Herbert – „Dune – Der Wüstenplanet“
Wasser. Dieses Thema zieht sich durch alle drei Bände des Sci-Fi-Klassikers und Nebula-Award Gewinners „Dune – der Wüstenplant” von Frank Herbert. Jeder Tropfen Wasser ist so kostbar, und das ist keine Übertreibung, dass er aufgefangen, recycled und wiederverwendet wird.
In meiner Arbeit im Umweltausschuss des Landtags komme auch ich immer wieder mit genau diesem Thema in Kontakt. Wir sind in Sachsen sicherlich noch weit entfernt von der Situation auf Arrakis, dem Wüstenplanet. Aber durch die Klimakrise werden leider auch hier die Probleme immer größer. Im Sommer trocknen unsere Flüsse aus, das Grundwasser sinkt, unseren Bäumen fehlt das Wasser zur Bildung von Abwehrstoffen gegen den Borkenkäfer und es kommt zu Ernteausfällen in der Landwirtschaft.
Was mir das Buch aber gezeigt hat, ist, dass wenn man nachhaltig und umsichtig mit den Ressourcen umgeht, kann man auch schwierige Situationen meistern. Ich werde jedenfalls dafür in Sachsen kämpfen.
Übrigens, den ersten Band des Buchs gibt es auch als Film. Ich empfehle allerdings das Buch.
17. Marcel Fratzscher – „Geld oder Leben“
Wenn man die Verteilung des Vermögens in Deutschland auf einem A4-Blatt auftragen würde, dann bekommt man 95 Prozent der deutschen Bevölkerung auf dieses Blatt. Die Kurve sieht ungefähr so aus wie eine wachsende Corona-Infektionskurve. Erst kommt lange nichts, circa 10 Prozent wären sogar im Negativen und dann steigt es exponentiell. Das, was mich wirklich geschockt hat, ist, dass die reichste Familie in Deutschland 6,2 Kilometer über dem Blatt aufzutragen wäre.
Man sieht, Vermögen ist in Deutschland extrem ungleich verteilt. Nicht jede:r hat die gleichen Chancen auf Wohlstand. „Wir brauchen dringend einen rationaleren Diskurs über Geld und dessen Bedeutung für jeden Einzelnen und für uns als Gesellschaft, und wir brauchen mehr finanzielle Bildung“, sagt Marcel Fratzscher. In meiner Arbeit erlebe ich auch immer wieder die Einstellung, das Schulden etwas kategorisch Schlechtes sind. Und genau diese seltsame Einstellung verursacht wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Schaden, der nur sehr schwer wieder gutzumachen ist. Marcel Fratzscher, Ökonom am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, erklärt das in seinem Buch auf eine sehr anschauliche und leicht verständliche Art, sodass finanzpolitische Laien es gut verstehen. Fratscher war auch schon zu Gast bei jung & naiv.
18. Luisa Neubauer und Dagmar Reemtsma – „Gegen die Ohnmacht“
Wer fühlt sich in Anbetracht der vielfältigen Krisen unserer Gegenwart nicht manchmal ohnmächtig?
Luisa Neubauer hat zusammen mit ihrer Großmutter Dagmar Reemtsma ein sehr persönliches Buch über „meine Großmutter, die Politik und (m)ich“ geschrieben und beide zeigen darin anhand ihrer Familiengeschichten, dass die Widersprüche in jeder Biografie auch zu Quellen von Stärke und Zusammenhalt werden können. Luisa sagt über Dagmar:
„Meine Großmutter hat sich mit allen Leuten zweimal zerstritten. Das erste Mal, als die Leute die Schrecken der NS-Herrschaft zu schnell vergessen wollten. Und dann, als sie die ökologischen Katastrophen nicht wahrhaben wollten.“
Dagmar Reemtsma hat einen faszinierenden Lebensweg und setzt sich seit Tschernobyl für Umweltschutz ein. Sie kämpft im Großen, aber auch im Kleinen gegen Umweltsünden, an einer Stelle wird inspirierend berichtet, wie sich Dagmar nicht entmutigen lässt, auch wenn die Nachbarin ihre Hinweise zur Schädlichkeit von Laubbläsern jedes Jahr aufs neue ignoriert.
Während Dagmar Reemtsma einen Umgang mit vielfältigen politischen Veränderungen entwickeln musste, wächst Luisa Neubauer in vermeintlich friedlichen Zeiten und mit einer Lebensweise auf, welche die ökologischen Grundlagen ihrer Zukunft bedroht.
Die große Stärke des Buches ist, dass jede Diskussion über die deutsche Wirtschaft, fossile Energien, Lobbyeinflüsse, Privilegien, usw. immer lebensnahen Bezügen unterlegt, mit persönlichen Geschichten illustriert und dadurch greifbarer wird.
Ich war von der Offenheit sehr beeindruckt und wünsche mir mehr persönliche Geschichten über den Kampf gegen die Klimakrise. Gemeinsam haben die Autorinnen dem Deutschlandfunk ein Interview gegeben.
19. Sebastião Salgado – „Genesis“
Die New York Times urteilt über das Buch des brasilianischen Fotografs Sebastião Salgado: „GENESIS macht seiner biblischen Referenz alle Ehre… Nichts könnte eindrucksvoller daran erinnern, was wir zu verlieren haben.“ Viel mehr muss eigentlich auch gar nicht zu diesem Bilderbuch gesagt werden.
Die Aufnahmen, die hier in farbenfrohem schwarz und weiß präsentiert werden, sind einfach wunderschön und zeigen eindrucksvoll die Erde und ihre Geschöpfe.
20. BUND – „Braunkohleatlas 2017“
Noch im Jahr 2016 hat der Oberberghauptmann festgestellt: „2015 war ein gutes Jahr für den Bergbau in Sachsen! […] Die Braunkohleproduktion im Freistaat Sachsen wird das sechste Jahr in Folge gesteigert”.
Viel zu lange wurde in Sachsen an der Braunkohle festgehalten. Auch im Jahr 2021 war sich die CDU im Plenum des Sächsischen Landtags noch sicher, dass „jedes zusätzliche Windrad im Land [..] die Situation der Braunkohle [schwächt].”
Warum es eine solche Verstrickung und ein solches Festhalten an einer Technologie des letzten Jahrtausends hier in Sachsen gibt, kann man im Braunkohleatlas des BUND lesen. Der Braunkohleatlas war das erste Buch, welches ich gelesen habe, als ich von meiner Fraktion zum klima- und energiepolitischen Sprecher gewählt wurde. Und es hat mir bis heute sehr gute Dienste geleistet. Mittlerweile gibt es ein Update „Braunkohleatlas 2020”, beide Publikationen sind übrigens ein Kooperationsprojekt von BUND Sachsen und Weiterdenken. Beide Veröffentlichungen können kostenfrei heruntergeladen werden.
21. Kerstin Lücker (Hrsg.) – „In tiefer Sorge“
„In tiefer Sorge“ stellt die ehemalige energiepolitische Leipziger Stadträtin Sophia Lydia Kraft in einem Gastbeitrag vor. Denn sie selbst war bei der Erstellung dieses neu erschienen Sammelbandes eingebunden.
SORGE. Sorge hat wohl für die meisten von uns das Jahr 2022 geprägt. Sorge um den Frieden in Europa, Sorge um unser Klima und unsere Umwelt. Sorge verbindet auch die wichtigsten Vordenker*innen für Natur, Umwelt und Klima. Gemeinsam erheben sie zum ersten Mal ihre Stimme in diesem Sammelband. Eindringlich ist ihr Appell, jetzt zu handeln. Warum jetzt? Weil in den letzten 50 Jahre seit Erscheinen des Club-of-Rome-Berichts „Die Grenzen des Wachstum“ deutlich wurde, dass wir nur mit einem konsequenten Ausbau der Erneuerbaren Energien, Energiesparen und Energieeffizient friedlich und unabhängig leben können.
Visionär*innen, die schon vor 50 Jahren diesen Weg beschritten haben, wurden oft bekämpft. Beharrlich sind sie ihren Weg weiter gegangen und nehmen uns Leser*innen dabei mit.
22. Ulrike Herrmann – „Das Ende des Kapitalismus“
Es wird schon irgendwie weiter gehen wie bisher, oder? Die Wirtschaftsjournalistin Ulrike Herrmann gibt der Idee vom grünen Wachstum in „Das Ende des Kapitalismus – Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind – und wie wir in Zukunft leben werden“ eine klare Absage und denkt darin konsequent zu Ende, was wir bisher etwas nebulös unter dem Schlagwort „Transformation“ diskutiert haben.
Sie findet konkrete Antworten, wie wir unsere Wirtschaft so umgestalten, dass unsere Lebensgrundlagen erhalten bleiben. Das Ziel des neuen Wirtschaftens ist die Kreislaufwirtschaft, in der wir nur verbrauchen, was sich recyceln lässt.
Den Klimawandel aufzuhalten bedeutet nach Herrmann Ressourcen zu schonen. Ihre zentrale Schlussfolgerung lautet, dass eine Reduktion von Treibhausgasen nicht mit der Wachstumsdoktrin des Kapitalismus einhergehen kann. Herrmann entwickelt einen konkreten Vorschlag für den Übergang, der nicht zu sozialen Verwerfungen führe und unsere Demokratie stabil halte: Rationierung nach dem Vorbild der britischen Kriegswirtschaft in den 1940er Jahren.
Ich stimme zwar nicht mit allen Ansichten überein, bin gleichzeitig aber dankbar für ihr Buch: als Grundlage für eine Diskussion möglicher Lösungen, und für ihre Skizze einer Welt von morgen, in der unser Leben weitaus nachhaltiger sein wird. Herrmann beschreibt die Welt witzigerweise als Reise in die Vergangenheit; unser Lebensstandard wird nachhaltig, wenn er wieder so wie in den 1970er Jahren wird (wobei die technischen Neuerungen nicht aufgegeben werden müssen).
Ihr Buch hat sie kürzlich auch bei Jung & Naiv vorgestellt.
23. David Attenborough – „Der lebendige Planet“
Seit den späten Siebzigerjahren berichtet Sir David Attenborough über die Tier- und Pflanzenwelt auf unserem blauen Planeten. Wie kein Zweiter beschreibt er sehr genau und leicht verständlich die Zusammenhänge zwischen einzelnen Ökosystemen. Seltsamerweise ist er scheinbar im deutschen Sprachraum bisher nicht so sehr bekannt, wie er es eigentlich verdient hat. Wer aber einmal die extrem markante Stimme und die daraus sprudelnde Begeisterung gehört hat, wird sie so schnell nicht mehr vergessen.
In dem Buch „Der lebendige Planet” nimmt Attenborough den Lesenden mit auf eine Reise in die unterschiedlichsten Lebensräume – von den Tiefen des Ozeans, über Tundra, Wald und Wüsten – und erklärt dabei, warum und wie alles mit allem zusammenhängt. Er bezieht sich auch auf den aktuellsten Stand der Forschung und beschreibt, welche Auswirkungen durch Klimawandel, Umweltzerstörung und Artensterben uns bevorstehen. Ein Muss für jeden Tier- und Pflanzenliebhabenden.
24. Maja Göpel – „Wir können auch anders“
Verfolge ich die Nachrichten aufmerksam, bekomme ich schnell den Eindruck, dass sich die schlechten Nachrichten häufen. Neue Berichte des IPCC über die Klimakrise und die bevorstehenden Veränderungen, Überschwemmungen, Dürren, Artensterben usw. können bedrückend wirken. Sie führen sogar dazu, dass man sich hilflos fühlt und meint, man könne eh nichts tun und verbessern. Im Buch bringt Prof. Dr. Maja Göpel aus auf den Punkt: „[w]ir sind Gefangene eines Systems, von dem wir uns Freiheit versprochen haben und aus dem wir jetzt den Ausgang nicht mehr finden.” Umso wichtiger ist es, dass es Menschen wie Sie gibt, die zeigen, dass es auch anders geht.
In „Wir können auch anders” beschränkt sie sich eben nicht darauf, zu sagen, was nicht geht, sondern gibt konkrete Handlungsmöglichkeiten, um ins Handeln zu kommen. Kurz: Sie macht Mut und schafft damit auch Hoffnung. Gleichzeitig zeigt Sie uns faktenbasiert und wohlüberlegt, wo der Ausgang ist und wie wir den Weg dorthin erfolgreich beschreiten. Dafür bin ich ihr ausgesprochen dankbar.