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Rede: Schluss mit Wissenschaftsleugnung und Angstmacherei – Chancen der Windkraft nutzen

Meine Gegenrede im Sächsischen Landtag zum Antrag der Fraktion AfD zum Thema: „Keine Experimente mit der Gesundheit der Bevölkerung – Wiedereinführung der Länderöffnungsklausel zur 10-H-Reglung für Windenergieanlagen“

Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Freitag, 19.11.2021, TOP 7, Drucksache 7/6843

– Es gilt das gesprochene Wort –

Rede im Landtag: Schluss mit Wissenschaftsleugnung und Angstmacherei - Chancen der Windkraft nutzen
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Sehr geehrter Frau Präsidentin,
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

Der Antrag, den sie hier heute eingebracht haben, reiht sich eine Liste an wissenschaftsfeindlichen und spaltenden Anträgen. Diese verblendete Ideologie, die Realität verneint, Desinformationen und Angst verbreitet, hat in diesem hohen Hause nichts verloren. Der Antrag nutzt wieder ganz unverblümt typische Werkzeuge von Fake News und Wissenschaftsleugnung. Zum Beispiel nutzen sie Pseudoexperten als Quellen, betreiben Rosinenpickerei, lassen also Fakten weg, die ihnen nicht passen, und verbreiten gezielt Verschwörungserzählungen. Ich will ihnen das gern an einigen Beispiele demonstrieren:

Pseudo-Experten

Zunächst gilt es festzustellen, dass der Antrag und die Diskussion um Infraschall beim Windkraftanlagen seit 2004 auf einem Rechenfehler der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, der BGR, zurückgeht. Dort wurde sich, selbstverständlich versehentlich, um den Faktor 4.000 verrechnet. „Es tut mir sehr leid, dass falsche Zahlen über einen langen Zeitraum im Raum standen“, sagte Peter Altmeier dieses Jahr und gab zu, dass die Akzeptanz der Windkraft „ein Stück weit“ darunter gelitten hat. Ja, was Sie nicht sagen, Herr Altmeier. Nun wurde die Arbeit, die sie indirekt in ihrem Antrag zitieren noch vor der Richtigstellung veröffentlicht. Okay. Aber seit dem haben sich die Autoren Roos und Vahl (der übrigens nicht mehr Chefarzt ist wie sie behaupten) nicht zu einer Korrektur ihrer Arbeit genötigt gefühlt. Im Gegenteil, Vahl behauptet jetzt ohne irgendeinen wissenschaftlichen Beweis im Ärzteblatt, dass „[n]ach der Korrektur dieser Werte ist davon auszugehen, dass der von Windanlagen generierte Infraschall gefährlicher ist als bisher angenommen.” Herr Roos, der zweite Autor, ist schon länger in der Bürgerinitiative „Gegenwind Schwarzwald” aktiv und veröffentlicht weiterhin Unfug auf „vernunftkraft.de”.

Rosinenpickerei

Ich bin mir nicht ganz sicher, ob sie die Studien, die sie zitieren wirklich selber lesen. Oder gehen Sie davon aus, dass niemand sich die Mühe macht die mal nachzuschauen? Wenn sie sich diese Studie einmal angeschaut hätten, dann hätten sie zu dem Schluss kommen müssen, dass:

  1. Infraschall in der Nähe von Windenergieanlagen nicht die Hörbarkeitsschwellen überschreitet.
  2. Infraschall und tieffrequenter Schall stellen keine besonderen Gesundheitsrisiken dar.
  3. Die Belästigung scheint stärker mit individuellen Befindlichkeiten zusammenzuhängen als mit Lärm von Windkraftanlagen.

Und wenn man es bis zur Seite 18 der Studie geschafft hätte, wäre man auch auf die Best Practice Beispiele der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gestoßen, die auf den Kenntnissen aus über 60 peer-reviewten Arbeiten beruhen. Dort wird vorgeschlagen, dass Abstandsregelungen eben nicht durch fixe Entfernung, wie etwa die 10-H-Reglung, definiert werden sollten. Sie widersprechen sich hier also wie so oft selbst.

Ich möchten ihnen gern noch eine Rosine mitgeben. Chapman et al. haben gezeigt, dass es bei 33 von 51 untersuchten Windparks gar keine Probleme gab. Wieviele Anwohnende meldeten gesundheitliche Probleme? 0,4%! Und von diesen 0,4% haben 73% in der Nähe von nur sechs Windparks gewohnt, bei denen Anti-Windenergie-Gruppen aktiv waren. Das ist ein klassischer Fall des Nocebo-Effekts, bei dem eine negative Wirkung eintritt, bloß weil man davon ausgeht.

Verschwörungsmythen

Sie behaupten „tieffrequenter Schall wird durch Lärmschutzmaßnahmen, Fenster und Hauswände kaum gedämmt”. Das widerlegt aber sogar der Artikel von Vahl selbst. Dort wird deutlich, dass es in einem Haus zu einer Reduktion der Schallleistung um den Faktor 50 kommt. Sie behaupten auch, dass Auswirkungen auf menschliche Zellen nachgewiesen seien. Sie verschweigen hier aber wieder wesentliche Dinge. Diese Untersuchungen wurden bei über 80 Dezibel gemacht und werden von Windkraftanlagen überhaupt nicht erreicht. Andere von Vahl an Tieren durchgeführte Experimente nutzen extrem hohe Schalldruckpegel von bis 130 Dezibel. Übrigens ist das ähnlich zu einem Flughafen, den sie in Leipzig ja sogar ausbauen wollen. Das ist um den Faktor 100.000.000 höher als die Schallpegeln von Windenergieanlagen. Dazu passt ein Zitat von Dr. Holzheu, der den Fehler der BGR entdeckt hat: „Kein Mediziner käme auf die Idee, vor Alkoholvergiftungen durch reifes Obst zu warnen, nur weil festgestellt wurde, dass hochprozentiger Alkohol gesundheitsschädlich ist.”

Abschließend zitiere ich noch mal aus der von ihnen angeführten Metastudie: „Menschen, die wirtschaftlich von Windkraftanlagen profitieren, im Vergleich zu Personen, die keinen wirtschaftlichen Nutzen daraus ziehen, [weisen] deutlich geringere Belästigungswerte auf, obwohl sie ähnlichen, wenn nicht sogar höheren Schallpegeln ausgesetzt sind.” Und das ist genau das, was sie mit ihrem Antrag verhindern. Durch eine 10-H-Reglung würden Kommunen durch diesen großen Abstand nicht von den 0,2 Cent pro Kilowattstunde aus dem EEG profitieren. Und dabei setzt sich doch die AfD so toll für den ländlichen Raum ein.

Wir werden ihren Antrag ablehnen.

Dieser Beitrag ist, sofern nicht anders angegeben, nach Creative Commons Namensnennung 4.0 International (CC BY 4.0  lizensiert.

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