Meine Rede im Sächsischen Landtag zum Antrag der Fraktionen CDU, BÜNDNISGRÜNE und SPD: „Digitale Souveränität in Sachsen sicherstellen – Open Source-Strategie erarbeiten“ (Drucksache 7/11086)
60. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Donnerstag, 10.11.2022, TOP 3
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
in den vergangenen Wochen und Monaten mussten wir alle sehr schmerzlich erfahren, was es heißt, abhängig zu sein. Seien es die 55 Prozent Abhängigkeit von russischem Gas oder die Abhängigkeit der freien Meinungsäußerung vom Kurznachrichtendienst Twitter bzw. den Launen eines Techmilliardärs. Ich mag mir ehrlich gesagt überhaupt nicht vorstellen, was passieren würde, wenn plötzlich der Einsatz von Microsoftprodukten in der Europäischen Union nicht mehr möglich wäre.
Die Lösung dieses Problems heißt digitale Souveränität, also mit den Worten des CIO des Bundes „die Fähigkeiten und Möglichkeiten von Individuen und Institutionen, ihre Rolle(n) in der digitalen Welt selbstständig, selbstbestimmt und sicher ausüben zu können“. Und wer sollte das denn bitte besser umsetzen können als das Softwareland Sachsen?
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
ich möchte ihnen heute eine Vision für Sachsen vorstellen, was alles durch diesen Paradigmenwechsel, der mit der Erstellung der Open Source Software-Strategie einhergeht, möglich wird und auch, was alles in Zukunft nicht mehr gemacht werden muss. Im Kontext von Open Source-Software spricht man häufig von vier Freiheiten, die ich Ihnen gern vorstellen möchte.
Freiheit 1: „Verwenden“
Die erste Freiheit steht unter dem Begriff „Verwenden“. Das heißt, Open Source-Software kann für jeden Zweck genutzt werden und ist frei von Einschränkungen. Das bedeutet in erster Linie, dass die Software frei verwendet werden kann. Sie muss also nicht erst gekauft werden, um sie auszuprobieren und einsetzen zu können.
Damit begibt man sich auch nicht mehr in die Abhängigkeit und den daraus resultierenden Lock-In-Effekten gegenüber einigen wenigen Herstellern. Das diese Abhängigkeiten und Lock-In Effekte mittels freier Software abgebaut werden können, bestätigte auch Herr StS Popp vor gut einem Jahr hier in einer Befragung der Staatsregierung. Somit werden wir in Sachsen also langfristig die digitale Souveränität herstellen und sichern.
Und nicht nur das, mit jeder zusätzlichen Open Source-Software werden bestimmte Tätigkeiten in Zukunft weniger werden: Etwa weniger langwierige Lizenzverhandlungen, weniger regelmäßig ablaufende Lizenzen und weniger einseitige Lizenzveränderungen durch einen Hersteller, die nicht mal Funktionsverbesserungen mit sich bringen. Microsoft deutet z.B. immer mal wieder an, dass man langfristig viele der eigenen Produkte nur noch in der Cloud anbieten möchte. Für Microsoft sicher eine logische Entscheidung, im Hinblick auf die Hoheit über die eigenen Daten aber absolut katastrophal für Sachsen.
Und mit Open Source-Software lässt sich langfristig auch Geld einsparen. Schleswig-Holstein etwa hat bereits seine Verträge mit Microsoft reduziert und spart dadurch in den nächsten fünf Jahren knapp 7 Millionen Euro ein. Ab 2025 sollen nach der Umstellung jedes Jahr weitere knapp 2 Millionen Euro eingespart werden.
Freiheit 2: „Verstehen“
Kommen wir zur zweiten Freiheit, bei der es um „Verstehen“ geht. Damit ist gemeint, dass Open Source-Software unter Verzicht auf sonst übliche Vertraulichkeitsvereinbarungen oder ähnlichen Einschränkungen von unabhängigen Stellen untersucht werden kann. Damit ist im besonderen Maße auch die Zivilgesellschaft gemeint. Welch großen Einfluss diese Freiheit auf die Transparenz und damit auf das Vertrauen und Akzeptanz in eine Software hat, zeigt im Besonderen Maße die Corona-Warn-App. Aktuell verzeichnet sie über 47 Millionen Downloads und ist damit aus meiner Sicht die erfolgreichste App, die jemals von Deutschland entwickelt und genutzt wird. Das zeigt einmal mehr, dass der Freistaat hier von Anfang an auf das richtige Pferd gesetzt hat.
Aber nicht nur das, auch der Sicherheitsaspekt spielt eine entscheidende Rolle. So empfiehlt auch das BSI den Einsatz von Open Source-Software aus IT-Sicherheitsgründen. In Anbracht des aktuellen Krieges in der Ukraine und damit einhergehenden Cyber-Angriffen durch Russland spielt dies aktuell, aber auch in einer zunehmend vernetzten Zukunft, eine immer wichtigere Rolle.
Freiheit 3: „Verbessern“
Und damit sind wir bei der dritten Freiheit: dem „Verbessern“. Verbessern bedeutet, Open Source-Software darf beliebig an die eigenen Bedürfnisse angepasst werden, natürlich nur mit Zustimmung des Eigentümers. Das ist eine wichtige Eigenschaft, um langfristig echte digitale Souveränität zu erlangen. Letztlich macht das den Freistaat komplett unabhängig vom Hersteller. Ebenso können Sicherheitslücken sofort selbstständig geschlossen werden, ohne auf das nächste Update des Herstellers warten zu müssen.
Ein weiterer wichtiger Aspekt beim „Verbessern“ ist auch die digitale Teilhabe. Open Source-Software ermöglicht den Sächsinnen und Sachsen eine aktive Mitgestaltung bei der Digitalisierung. Bisher ist das praktisch überhaupt nicht möglich. Außerdem können sie einsehen und nachvollziehen, welche Daten wie erfasst und verarbeitet werden. Das trägt zu einem transparenten Verwaltungshandeln bei. Das schafft zusätzliches Vertrauen, weg vom gläsernen Bürger hin zu einem transparenten Staat. Letztlich können sie sich auch in die Weiterentwicklung und Verbesserung einbringen, was für das Softwareland Sachsen einen weiteren Wettbewerbsvorteil darstellen wird.
Freiheit 4: „Verbreiten“
Kommen wir nun zur letzten der vier Freiheiten: „dem Verbreiten“. Für Sachsen und Deutschland bedeutet das, dass Open Source-Software kostenfrei kopiert und weitergegeben werden darf. Dinge, die einmal entwickelt wurden, müssen nicht noch ein zweites, drittes und viertes Mal entwickelt werden. Zusammen mit der Möglichkeit zur beliebigen Anpassung wird das meiner Meinung nach einen entscheidenden Schub geben und eine wichtige Rolle für die erfolgreiche Umsetzung der Verwaltungsdigitalisierung spielen.
Mit Open Source-Software wird das Einer-für-Alle-Prinzip des Onlinezugangsgesetzes (OZG) erst so richtig effektiv und effizient umsetzbar werden. Eine Lehre aus dem aktuellen OZG ist ja, dass ein Fachverfahren, was in einem Bundesland entwickelt wurde, sich nicht so einfach – in einem föderalen System gibt es hier gewisse Hürden zu überwinden – in einem anderen Bundesland einsetzen lässt. Meist sind größere Anpassungen notwendig, die aufwendig von allen anderen Bundesländern mit dem jeweiligen Dienstleister aus dem entwickelnden Bundesland abgestimmt werden müssen.
Wäre ein Fachverfahren Open Source-Software, könnte diese einfach genommen und gemeinsam mit heimischen IT-Dienstleistern angepasst werden. Dieser kann dann auch gleich den Betrieb übernehmen, wodurch eingesetzte Mittel im eigenen Land gehalten werden.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
ich freue mich, dass wir hier heute einen wichtigen Beitrag zur Digitalisierung und digitalen Souveränität von Sachsen leisten. Für mich und meine Fraktion ist klar: Software die von öffentlichen Gelder finanziert wird, sollte auch der Öffentlichkeit wieder frei zu Verfügung gestellt werden. Diesem Schritt kommen wir mit dem vorliegenden Antrag ein gutes Stück näher.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
mit dem Beschluss zur Erstellung der Open Source-Strategie werden wir im bundesweiten Vergleich zwischen den Ländern ganz weit vor sein. Wir zeichnen damit im Gleichschritt mit dem Bund hin den Weg zu weniger Abhängigkeiten und mehr digitaler Souveränität. Der Bund hat nämlich schon eine ganze Reihe an Maßnahmen ergriffen um die digitale Souveränität zu stärken. So wurde
- die AG Cloud Computing und Digitale Souveränität durch den IT-Planungsrat ins Leben gerufen,
- ein sogenanntes zentrales Code Repository für die Öffentliche Verwaltung geschaffen, (also ein Ort an dem Software gemanagt und zur Verfügung gestellt wird),
- Leitfäden für die Beschaffung von Software erstellt,
- Zentrum für Digitale Souveränität der öffentlichen Verwaltung gegründet,
- und noch viele weitere Maßnahmen.
Sehr geehrte Damen und Herren,
der Freistaat Sachsen gibt jährlich circa 70 Millionen Euro für die Anschaffung und Entwicklung von Software aus. Mit dem vorliegenden Antrag wollen wir, dass diese Mittel künftig häufiger in öffentlich verfügbare Software fließen – frei nach dem Motto: öffentliches Geld, öffentliches Gut.
Die Stärkung digitaler Souveränität ist ein Kernanliegen unserer Digitalpolitik. Mit dem heutigen Beschluss bekennen sich die Koalitionsfraktionen ausdrücklich zur Stärkung der digitalen Souveränität des Freistaates Sachsen. Wir setzen darauf, sowohl im Verwaltungshandeln als Vorbild voranzugehen, als auch das Softwareland Sachsen durch die Entwicklung freier Software in der Region zu stärken.
Ich möchte mich an dieser Stelle noch einmal für die gute Zusammenarbeit bei meinen Kollegen und bei Herrn Staatssekretär Popp bedanken und freue mich auf die gemeinsame Arbeit bei der Erstellung der Strategie.
Ich bitte um Zustimmung zum Antrag.
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