Meine Gegenrede im Sächsischen Landtag zum Antrag der Fraktion AfD zum Thema: „Kernenergie nicht verteufeln, sondern innovative, zukunftsfähige und nachhaltige Forschungs- und Entwicklungskonzepte fördern“ (Drucksache 7/3838)
44. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Mittwoch, 09.02.2022, TOP 12
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Frau Präsidentin,
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
genauso wenig wie Coca Cola, Zigaretten und Alkohol gesund sind, ist Atomkraft oder fossiles Gas nachhaltig. Das ist und bleibt ein Etikettenschwindel, der Vertrauen in EU-Institutionen untergräbt und falsche Ansätze zur Bewältigung der Klimakrise setzt. Ich bin sehr froh, dass unser letzter Grüner Bundesparteitag hier auch noch einmal klare Signale gesetzt hat und unsere Bundesregierung auffordert, dem österreichischen Weg einer Klage zu folgen.
Ich kann aber auch im Bezug auf die AfD nicht nachvollziehen, wie man wissenschaftliche Erkenntnisse in manchen Bereichen komplett ignorieren kann, wie man den menschengemachten Klimawandel leugnen kann. Zur Erinnerung: 195 Staaten der Welt haben das als Problem erkannt, aber bei Atomkraft kann gar keine Theorie wild genug sein, um sie hysterisch herbeizureden.
Ich möchte Ihnen gern ein paar Gegenargumente liefern:
1. Atomkraft ist nicht versicherbar
Es wurde jetzt von Finanzmathematiker erstmals errechnet, wie teuer eine Haftpflicht für Atomkraftwerke wäre. Die Wissenschaftler sind da auf die erstaunliche Summe von 72 Mrd. Euro gekommen. Und das jährlich.
2. Die Endlagerkosten explodieren
Der Abbau der AKWs und die Kosten der Endlagerung werden bis 2099 auf 170 Mrd. Euro geschätzt. Nur ein Bruchteil davon wird durch die Betreiber gedeckt werden. Der Rest landet bei den Steuerzahlerinnen oder Steuerzahlern.
3. Selbst Finanzexperten sind dagegen
Mit der Plattform für nachhaltige Finanzen der EU-Kommission kritisiert ein auf diese Frage spezialisiertes beratendes Gremium die Entscheidung stark. Ihrer Ansicht nach widerspreche der Entwurf sogar mehreren der sechs Umweltziele der Taxonomie – darunter der Gewässerschutz, die Kreislaufwirtschaft, die Vermeidung von Umweltverschmutzung und dem Schutz der biologischen Vielfalt.
4. Atomkraft hilft nicht gegen die Klimakrise
Die Bauzeit von Atomkraftwerke übersteigt jede Planung. Die seit Jahren im Bau befindlichen Meiler in Frankreich und in Großbritannien sind längst über dem anvisierten Zeitplan und übersteigen die geplanten Kosten teilweise um einen zweistelligen Milliardenbetrag. Für die Klimakrise muss jetzt gehandelt werden und nicht erst in 15 Jahren.
5. Atomkraft ist eine Gefahr für die Gesundheit
Im 5-Kilometer-Umkreis um deutsche Atomkraftwerke bekommen Kinder unter 5 Jahren laut einer Studie, welche im Auftrag des Bundesamtes für Strahlenschutz durchgeführt wurde, zu 60 Prozent häufiger Krebs als im bundesweiten Durchschnitt.
6. Es gibt kein Endlagersuche
Auch über 80 Jahre nach Entdeckung der Kernspaltung ist noch nicht einmal klar, wie man den hoch radioaktiven Abfall lagern müsste, damit er nicht zur Gefahr für Mensch und Umwelt wird – geschweige denn, wo.
7. Atomkraft ist nicht wirtschaftlich
Auch nach 70 Jahren im Betrieb hat die Atomkraft nicht geschafft, was die Erneuerbaren in 20 Jahren geschafft haben. Atomkraft hat mit 34 Cent pro Kilowattstunde die höchsten Stromgestehungskosten aller Energieträger und kann ohne staatliche Subventionen nicht existieren. So wurden in Deutschland bisher mehr als 203 Mrd. Euro an direkten und indirekten Subventionen an die Atombranche gezahlt.
8. Atomkraft gefährdet den Frieden
Bei den Forschungsfeldern zu Partitionierung und Transmutation ist der Betrieb von kerntechnischen Anlagen notwendig. Das führt dazu, dass Stoffe in abgetrennter Form vorliegen und daraus Atomwaffen hergestellt werden könnten. Damit steigt das Risiko, dass diese Stoffe gestohlen und für nicht-friedliche Zwecke eingesetzt werden.
9. Uran ist ein fossiler Rohstoff
Uran ist ebenso wie Öl und Kohle ein fossiler Brennstoff. Die Vorräte sind begrenzt und nicht erneuerbar. Deutschland ist auf Importe angewiesen. Der weltweit größte Exporteur ist Kasachstan. Wie es da um Demokratie und Menschenrechte bestellt ist und dass dort Aufstände niedergeschossen werden, haben wir leider vor gut einem Monat beobachten können. Analysen des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags gehen im optimalsten Fall von hinreichend gesicherten Vorräten für 47 Jahre aus.
10. Atomkraft ist nahe am Blackout
Wir sind leider näher am Blackout, als wir denken, zumindest in Frankreich. Der Grund dafür ist die Atomkraft. Der französische Kraftwerkspark ist in letzten Monaten zu einem Drittel ausgefallen, was den Netzbetreiber dort zu der Aussage bewegt hat, dass man eventuell „Industriebetriebe herunterfahren müsse.“
11. Atomunternehmen wollen es selbst nicht
Die drei letzten Betreiber von Atomkraftwerken, Eon, RWE und EnBW, haben kein Interesse mehr an diesem Geschäftsmodell und sagen das „Kapitel Kernenergie sei abgeschlossen”.
12. AKWs der neusten Generation funktionieren nicht
Der 1. EPR-Reaktor in China musste notabgeschaltet werden. Anscheinend durch einen Konstruktionsfehler, Gas und Radioaktivität ist ausgetreten. Das bedeutet große Investruinen für Polen, England und Frankreich.
Wir werden den Antrag wieder ablehnen.
4 Kommentare
Tolle Rede!
Jahrzehnte Nutzbarkeit – ☢️
Jahrmillionen Strahlungszeit.
Ein Anti-Atom-Kraft Gedicht:
ATOMMÜLL – Stoff den keiner will
Gegen den GAU ist kein Land gefeit,
der Atomausstieg verhindert Leid.
Deutschland hatte die Weichen gestellt,
beispielgebend für die ganze Welt.
Kernenergie war mal der Renner,
auserkoren als Dauerbrenner.
Atomstrom wurde huldvoll kreiert,
die Gefahren hat man ignoriert.
Das Energieproblem schien gelöst,
bis Tschernobyl diesen Traum zerstößt.
Fukushima brachte die Wende,
deutschen Reaktoren das Ende.
Wohin das strahlende Material?
Die Suche entwickelt sich zur Qual.
Atommüll ist nicht Stoff der Träume,
da öffnet man ungern die Räume.
Tonnen von radioaktivem Kies,
aus für jedes Urlaubsparadies.
Lager gesucht für die Ewigkeit,
Grab für Relikte der Atomzeit.
Rainer Kirmse , Altenburg
Herzliche Grüße aus Thüringen