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Rede von Jens Hausner aus der Anhörung durch den Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr

Auch knapp zwei Wochen nach Ablehnung des Antrags der Fraktion DIE LINKE mit dem Titel „Klarheit herstellen: Kohle-Kompromiss entsprechend den Empfehlungen der Kommission einhalten bedeutet Erhalt von Mühlrose, Pödelwitz und Obertitz“ erreichen uns Emails mit der Frage, warum wir BÜNDNISGRÜNE den Antrag im Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr abgelehnt haben.

Die Stellungnahme dazu mit einer ausführlicher Begründung zur Ablehnung könnt Ihr hier nachlesen.

Ein großes X auf dem Platz direkt vor dem Landtag, stellvertretend für alle Orte, die der Kohle in der Vergangenheit weichen mussten.

Zusätzlich zur Stellungnahme möchten wir an dieser Stelle auch die Rede von Jens Hausner aus der Anhörung durch den Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr zum Antrag der Fraktion DIE LINKE veröffentlichen. Jens Hausner ist der Sprecher im Mitteldeutschen Revier von „Zukunft statt Braunkohle“ und wurde von der BÜNDNISGRÜNEN Fraktion als Sachkundiger zur Anhörung am 30. Juni 2020 eingeladen.


„Sehr geehrte Damen! Sehr geehrte Herren!

Ich bedanke mich zunächst, dass ich zu dieser Debatte einen wichtigen Beitrag leisten darf. Ich denke, es ist im Landtag das erste Mal, dass ein Tagebaubetroffener direkt zu Ihnen sprechen darf und die Sicht der Dinge einmal aus einer ganz anderen Richtung beleuchtet.

Ich bin mir noch nicht im Klaren, ob diese angestoßene Debatte über die Zukunft der Dörfer Mühlrose, Pödelwitz, Obertitz überhaupt noch notwendig ist. Lassen Sie mich dazu einige Sätze sagen, und ich wäre froh, wenn Sie mir in der anschließenden Diskussionsrunde bei Unklarheiten die entsprechenden Fragen stellen.

Zu Pödelwitz: Prof. Dr. Berkner erwähnte gerade, dass der Impuls aus der Bevölkerung selbst kam. Ich habe diesen ganzen Prozess als Einwohner des Ortes erlebt und war mittendrin. Der Prozess wurde vom Bergbautreibenden selbst angestoßen. Es wurde eine Einwohnerversammlung durchgeführt, in der der Bergbautreibende seine Pläne vorgestellt hat, wie es um das Dorf Pödelwitz herum aussieht.

Es wurde eine Bürgerkontaktgruppe gegründet, um Emissionsschutzmaßnahmen für den Ort einzuleiten. Der Ort liegt auf der windabgewandten Seite des Tagebaus. Wir haben also bei Weitem nicht die Lärm- und Staubbelastung wie auf der Ostseite die Orte Deutzen, Neukieritzsch, Lobstädt und Kieritzsch. Aber die MIBRAG hat in weiteren Veranstaltungen bewusst Angst unter den Einwohnern erzeugt – mit dem Ergebnis, dass man Folgendes vorgeschlagen hat: Es wäre relativ schwierig, Lärm- und Staubschutzmaßnahmen für den Ort zu gewährleisten, aber man hätte noch eine zweite Lösung in petto: die Umsiedlung zu den Konditionen, die damals die Heuersdorfer hatten. Daraufhin fand sich in dem Ort eine Mehrheit, die sich für eine Umsiedlung ausgesprochen hat. Mit dem Kohlebedarf hatte das überhaupt nichts zu tun.

Viele Journalisten fragen mich immer – ich mache seit 2009 Medienarbeit zur Situation im Ort –, wie solch eine Mehrheit zustande kam. Das ist ganz einfach: Sie können in jedes Dorf in Sachsen gehen, mit diesen Entschädigungszahlungen eine demokratische Entscheidung herbeiführen, und ich garantiere Ihnen, dass Sie in jedem Ort in Sachsen eine Mehrheit bekommen, die sich für eine Umsiedlung ausspricht.

Der ländliche Raum in Sachsen wurde in den letzten 30 Jahren so massiv mit Einsparungen überzogen, dass Sie überall eine Mehrheit bekommen. Dabei geht es nicht um Kohle, sondern man hat nur diese Situation, die sich im ländlichen Raum geboten hat, genutzt, um die Mehrheit der Einwohner eines Ortes über diese Entschädigungszahlung zu einer Umsiedlung zu überzeugen.

Wir haben versucht gegenzusteuern und klarzustellen, was es eigentlich heißt, wenn man eine Umsiedlung lostritt und das eventuell sogar in der Braunkohlenplanung verankert. Die Lärm-, Staub- und Umsiedlungsdiskussion, die daraus erwachsen ist, war die Grundlage für den Regionalen Planungsverband, die Ortslage Pödelwitz als Vorbehaltsgebiet Braunkohlenabbau auszuweisen, um eine freiwillige Umsiedlung zu ermöglichen. – So steht es im Braunkohlenplan.

Wir haben bereits zu Beginn unser Veto eingelegt und gesagt: Wir werden nicht freiwillig umsiedeln, das darf so nicht ausgewiesen werden. Aber wir als Einwohner wurden übergangen.

Was heißt das im Endeffekt für uns, die nicht umsiedeln wollen? Wenn das Bergbauunternehmen einen Antrag für eine Genehmigung stellt, dieses Dorf abzubaggern, und diese Genehmigung erteilt wird, dann heißt es für uns Betroffene, die in dem Ort wohnen bleiben wollen: Wir werden mit einer Enteignung überzogen, weil das Bergbauunternehmen Lärm und Staub verursacht und weil die Institutionen, die uns davor schützen müssen, eigentlich das Gegenteil von dem machen, wofür sie auf ihrem Stuhl sitzen.

Im Braunkohlenplan ist ganz konkret festgeschrieben, dass tangierte Ortschaften mit ausreichenden Emissionsschutzmaßnahmen nach Stand der Technik zu versehen sind. Wenn das nicht ausreicht – das ist vom Oberbergamt zu überwachen –, dann ist es auszuweiten. Es kann doch nicht sein, dass die beste Lärm- und Staubschutzmaßnahme eine Enteignung der Menschen ist, die nicht freiwillig umsiedeln wollen.

2012 wurde mit der Stadt und der MIBRAG der Umsiedlungsvertrag unterzeichnet – begleitet mit einer riesigen PR-Kampagne. Wir wussten nicht, wie wir gegensteuern sollten bzw. mussten uns erst einmal finden. Die gleiche PR-Kampagne läuft jetzt auf genau derselben Schiene in Mühlrose. Dort geht es nicht um die Kohle unter dem Ort, sondern es geht vordergründig um die Emissionsschutzmaßnahmen für die Einwohner dieses Ortes.

Für den Tagebau Vereinigtes Schleenhain, an dessen Westflanke unser Dorf Pödelwitz liegt, wurde die Braunkohleförderung bis 2040 genehmigt. In dieser Genehmigung ist die Abbaggerung von Pödelwitz nicht enthalten. Diese genehmigte Abbaumenge reicht aus, um das Kraftwerk Lippendorf bis 2040 unter Volllast mit Kohle zu versorgen. Von Prof. Berkner haben wir gehört, dass wir jetzt über einen Kohleausstieg 2034/2035 in der Region sprechen. Womit will man eine Abbaggerung von Pödelwitz begründen, wenn man die Kohle bis 2040 nicht braucht und nun schon 2035 nicht mehr?

Es ist sogar im Heuersdorfgesetz festgeschrieben. Wir hatten das Dorf Heuersdorf circa 5 Kilometer südlich von Pödelwitz. Man musste ein Gesetz erstellen, weil die Bürger durch mehrfache Instanzen gegen die Abbaggerung von Heuersdorf geklagt hatten. Dieses Heuersdorfgesetz inklusive seiner Begründung ist eine belastbare Grundlage für die Fortschreibung des Braunkohlenplans für den Tagebau Vereinigtes Schleenhain. So steht es im Braunkohlenplan für diesen Tagebau von 2011.

Zur Begründung zu dem Heuersdorfgesetz gibt es Gutachten von der Universität Aachen, die rechnerisch fünf Abbauszenarien für diesen Tagebau gezeichnet haben. In allen fünf Abbauvarianten wurde Pödelwitz zum Schutzgut gegenüber dem Braunkohlenabbau erklärt, weil man die Kohle nicht bis 2040 für die Versorgung von Lippendorf braucht.

In der Öffentlichkeitsarbeit haben wir darzulegen versucht, welche unsinnigen Pläne – auch mit Unterstützung des Regionalen Planungsverbandes und der Landesregierung – dazu laufen. Wir haben uns bundesweit Gehör verschafft – Pödelwitz ist ein bundesweites Thema. Wir sollten wirklich darauf schauen, dass wir als Sachsen nicht das Gesicht verlieren, wenn wir Dörfer abbaggern, die gar nicht abgebaggert werden müssen.

Am 24. September 2018 habe ich als Sachverständiger in der Kohlekommissionssitzung in Halle eine Rede gehalten, wie auch Herr Prof. Berkner. In der anschließenden Diskussionsrunde wurde Herr Prof. Berkner gefragt, ob es notwendig wäre, diesen Ort abzubaggern oder nicht. Vor der geschlossenen Kohlekommission kam eine klare Aussage, dass es nicht mehr notwendig wäre.

Die Beschlüsse fielen dann in der Nacht vom 25. zum 26. Januar. Ich war gerade mit meiner Frau im Urlaub und wurde morgens von dieser Horrornachricht getroffen, dass es dort keine Festlegung für den Erhalt der Ortslage Pödelwitz gab. Man hätte es zu dem damaligen Zeitpunkt schon machen können. Das war im Januar 2019.

Darauf folgte eine Landtagsdebatte, initiiert von den GRÜNEN. Sie wollten feststellen, wie denn die Planungssicherheit aussehe. Die Planungssicherheit wurde verweigert. Ich verstehe das überhaupt nicht. Wir haben den Kohlebedarf nicht. Der Kohlebedarf ist bis 2040 festgeschrieben, und uns wird keine Planungssicherheit zugesichert. Das Gleiche hatten wir dann noch einmal in den Koalitionsverhandlungen. Dort wurde von allen drei Koalitionspartnern festgelegt, dass dieser Ort erhalten bleibt. Dies geschieht natürlich aufgrund der Kohlebedarfsanalysen, es ist ja nicht aus dem leeren Raum gegriffen. Am 20. Dezember stellte sich der Ministerpräsident von Sachsen vor die Kameras und äußerte, man könne für den Erhalt von Pödelwitz keine Festlegung treffen. Dort wurde uns also wiederum die Planungssicherheit entzogen.

Letztens musste Herr Dulig im Landtag auf eine Anfrage antworten, wie es mit der Planungssicherheit der bedrohten Orte aussehe. Dort wird die Planungssicherheit erneut verweigert. Meine Damen und Herren, ich muss Ihnen nicht erklären, was es für einen Bürger im Revier bedeutet, wenn ihm die Planungssicherheit verweigert wird, obwohl es schon über mehrere Jahre möglich gewesen wäre, sie zu schaffen, und uns alle Institutionen, die dazu arbeiten, einfach hängenlassen. Ich bin vollkommen auf der Seite der IG BCE und der Bergleute, dass man Planungssicherheit für alle Menschen im Revier schaffen muss, aber die vom Tagebau Betroffenen sind doch keine Menschen zweiter Klasse. Man muss sie genauso betrachten wie den Bergmann selbst, und ich danke Herrn Prof. Berkner für sein Statement und dass er diese Problematik vorhin so dargelegt hat.“

Dieser Beitrag ist, sofern nicht anders angegeben, nach Creative Commons Namensnennung 4.0 International (CC BY 4.0  lizensiert.

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