Die Fraktion DIE LINKE hat am Dienstag den 15.09.2020 im Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr ihren Antrag mit dem Titel „Klarheit herstellen: Kohle-Kompromiss entsprechend den Empfehlungen der Kommission einhalten bedeutet Erhalt von Mühlrose, Pödelwitz und Obertitz“ zur Abstimmung gestellt. Die Stellungnahme der Staatsregierung findet man hier. Unsere Fraktion hat diesen Antrag mit der unten folgenden Begründung abgelehnt. Der Antrag ist unserer Meinung nach in Teilen an den falschen Adressaten gerichtet, überholt und fordert Leistungen vom Freistaat die nicht in dessen Aufgabenbereich liegen. Es ist der falsche Weg. Wir werden auch weiterhin an der Seite derer stehen, die gegen die Abbaggerung der Dörfer und gegen die Kohle kämpfen und mit dem neuen Energie- und Klimaprogramm den Grundstein für den raschen Ausbau der Erneuerbaren Energien in Sachsen vorlegen, genauso wie wir das bereits im Koalitionsvertrag vereinbart haben.
Update 30.9.2020: Am 30.6.2020 fand eine Anhörung des Ausschusses zu eben diesem Antrag statt. Als Sachkundigen hatten wir Jens Hausner, Sprecher im Mitteldeutschen Revier von „Zukunft statt Braunkohle“, geladen. Seine komplette Rede im Ausschuss könnt Ihr hier nachlesen.
Auf Grund der Berichterstattung um Mühlrose der letzten Wochen, den Erkenntnisse aus der Anhörung zu diesem Antrag sowie der Veröffentlichung des Gutachten von Ernst & Young möchte ich gern meine Haltung und die meiner Fraktion hier etwas ausführlicher wiedergeben.
Zunächst möchte ich gern die Öffentlichkeit dieser Ausschusssitzung nutzen und noch einmal darauf hinweisen, dass die Behauptung, man hätte in den Koalitionsverhandlungen einen Ort gegen den anderen eingetauscht, nicht der Wahrheit entspricht. Das ist einfach falsch. Außerdem: Es liegt aktuell weder eine bergrechtliche Genehmigung zur Abbaggerung von Mühlrose vor, noch zu dessen Beantragung, auch wenn das in Medien anders, also falsch dargestellt wurde.
Rechtsgrundlage ist aktuell leider der Landesentwicklungsplan von 2013 und der gegenwärtig rechtsverbindliche Braunkohlenplan Tagebau Nochten von 2014. Auf dieser Grundlage wurden die Entscheidungen zu den Vorbehalts– bzw. Vorranggebieten getroffen und die sind im Rechtsstaat von allen Parteien zu akzeptieren.
Es war und ist nicht Aufgabe der Staatsregierung eigene Berechnung für mögliche Verbräuche durchzuführen. Dazu fehlt dem Freistaat die Expertise. Auch das Gutachten von Ernst & Young beschränkt sich, auf Wunsch der Bundesregierung, „auf die Analyse der Folgen des Ausstiegs auf die Förder- und Verstromungsmengen” und nicht etwa auf eine „wirtschaftliche Bewertung dieser Optionen bzw. eine Analyse der wirtschaftlichen Folgen des Ausstiegs war nicht Gegenstand des Auftrags”. (Anmerkung die nicht in der Ausschusssitzung vortragen wurde: Gleichzeitig wäre es natürlich absolut fatal, wenn sich die Landesregierung im Genehmigungsverfahren ausschließlich auf Zahlen von LEAG und MIBRAG verlassen würde.)
Außerdem berücksichtigt es keine berg- und geotechnischen Rahmenbedingungen, keine Kohlequalitäten, keine hydrologischen, keine betriebswirtschaftlichen, keine umweltschutzbezogenen und keine regionalplanerischen Fragen.
Das heißt also, dass weiterhin, mit Beschluss der Fortschreibung des Braunkohlenplan von 2017 angestoßen, wie in Planfeststellungsverfahren üblich, das Unternehmen, in diesem Fall die LEAG oder MIBRAG das Revierkonzept vorlegt und dann die zuständige Behörde diese Angaben im Rahmen eines Beteiligungsverfahrens auf Plausibilität anhand des bestehenden Landesentwicklungsplan kontrolliert und nicht die Staatsregierung per Dekret untersagt, so wie sie das in ihrem Antrag fordern.
Zu den einzelnen Braunkohlegebieten würde ich gern einzeln noch mal eingehen wollen.
Pödelwitz und Obertitz
Hier ist die gewünschte Klarheit bereits im Koalitionsvertrag geschaffen worden. Außerdem geht auch aus der Stellungnahme der Staatsregierung hervor, dass das Gebiet eben ein Vorbehaltsgebiet und kein Vorranggebiet ist und „Eine Fortschreibung dieses Braunkohlenplanes zur Erhaltung der Ortslagen ist somit nicht erforderlich.” Nicht nur hat der Kampf des Sachverständigen Jens Hausner und dessen Bürgerinitiative Pro Pödelwitz massiv zu diesem Ergebnis beigetragen, es wurde auch mittlerweile ein Maßnahmen- und Positionspapier zur Revitalisierung des Dorfes namens ,,Pödelwitz hat Zukunft“ aus der Zivilgesellschaft heraus erarbeitet.
Mühlrose
Der mit den meisten Einwohnerinnen und Einwohner von Mühlrose vergangenen Jahr ausgehandelte Umsiedlungsvertrag stellt eine privatrechtliche Vereinbarung zwischen der LEAG und den Einwohnerinnen und Einwohnern dar. Diese stellen wir jetzt und in Zukunft nicht in Frage. Nach der jahrzehntelangen Unsicherheit über den Verbleib des Dorfes, setzen wir uns dafür ein, dass diejenigen, die umsiedeln wollen, dies auch können. Gleiches Recht muss aber für diejenigen gelten, die sich dagegen entscheiden. Sie dürfen nicht gegen ihren Willen zum Umzug gezwungen werden. Die LEAG ist, zum Leidwesen des historischen sorbischen Erbes von Mühlrose zwar berechtigt, Häuser in ihrem Besitz abzureißen, sie hat aber bis heute keine rechtliche Grundlage, die Kohle unter Mühlrose abzubaggern. Bis zum Beweis, dass der Abbau tatsächlich wirtschaftlich notwendig ist, gibt es keinen Grund Mühlrose abzubaggern. Diese Abwägung obliegt den Behörden im Rahmen des Genehmigungsverfahrens anhand des immer noch ausstehenden überarbeiten Revierplans. Die Staatsregierung kann jedenfalls nicht willkürlich entscheiden, wie dieses Genehmigungsverfahren ausgeht.
Folgerung
Mein Besuch in Mühlrose und meine Gespräche mit den betroffenen Menschen vor Ort haben mich tief berührt. Die Menschen in Mühlrose, egal ob sie bleiben oder gehen wollen, leiden. Seit Jahrzehnten entzweit sie der Streit um die Kohle. Sie beschäftigen sich mit Ängsten verbunden mit der Umsiedlung und Fragen zur Bleibeperspektive oder dem Strukturwandel. Viele davon bleiben bis heute unbeantwortet. So stellt man sich die Frage, ob die öffentliche Daseinsvorsorge gesichert bleibt, wenn die Abrissarbeiten fortschreiten sollten. Ob die sinkende Rentabilität der Kohle Auswirkungen auf den Ort und die Umsiedlung hat. Der Konflikt um die Kohle darf nicht auf dem Rücken der Anwohnerinnen und Anwohner austragen werden. Es geht auch nicht darum in einem Überbietungswettbewerb absurde Angebote an die LEAG zu unterbreiten, die dann im Dorf den Streit weiter anheizen.
Wir teilen zwar die zugrundeliegende Haltung, nämlich das kein weiteres Dorf mehr für die klimaschädlichen Braunkohleverstromung abgebaggert werden muss, allerdings ist der Antrag wie bereits ausgeführt in Teilen an den falschen Adressaten gerichtet, in Teilen überholt, zu spät oder fordert Leistungen die nicht im Aufgabenbereich des Freistaates liegen.
Wir werden den vorliegenden Antrag aus diesen Gründen ablehnen.
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