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Die LEAG überschreitet Grenzen

Der Energiekonzern LEAG hat kurzfristig bei Bewohnerinnen und Bewohnern in Mühlrose angekündigt, zwei Gebäude im Lausitzer Dorf abzureißen, um dort Braunkohle abbaggern zu können. Nach unseren Informationen wurde heute (Stand 01.09.2020) bereits angefangen, die beiden entsprechenden Häuser zu entkernen. Worum es geht, sieht man in der folgenden Bildern.

Was die LEAG in Mühlrose gerade treibt, ist für mich eine reine Machtdemonstration und weitere Provokation. Ich erwarte, dass das in der Koalition ausgewertet wird. Ich sage sehr deutlich, dass ich für das Handeln der LEAG kein Verständnis habe. Der Keil wird weiter in die Dorfgemeinschaft getrieben. Es geht anscheinend darum, sowohl politischen Druck als auch Druck auf die Bleibewilligen auszuüben. Auch andere Umwelt- und Jugendorganisationen wie der BUND Sachsen, Alle Dörfer bleiben!, Grüne Jugend, Fridays for Future Leipzig und Grüne Liga laufen Sturm.

Die LEAG wollte bis zum Sommer 2020 ein neues Revierkonzept für das Ausstiegsszenario nach dem Kohleausstiegsgesetz vorlegen.

Bis zum Sommer dieses Jahres will das Lausitzer Energieunternehmen ein überarbeitetes Revierkonzept mit einer angepassten Tagebauplanung vorlegen.

Quelle: leag.de

Doch mittlerweile nähern wir uns dem Herbst in großen Schritten und seitens der LEAG wurde kein Konzept vorgelegt. Die LEAG gibt in einem kürzlich veröffentlichten firmeninternen Interview mit Gert Klocek, der heute den Bereich Tagebauplanung leitet, nicht einmal einen ungefähren Zeitraum an, wann die Aktualisierung veröffentlicht werden soll. Dieses Konzept wäre aber – nach eingehender Prüfung auf Plausibilität und Gemeinwohlverträglichkeit – eine wichtige Grundlage für den Braunkohleplan.

Dimension des heutigen Zustands des Tagebaus

Wir haben dazu im Koalitionsvertrag unmissverständlich festgeschrieben, dass kein Dorf abgebaggert wird, wenn es nicht nachweislich notwendig ist.

Für die Tagebaue in der Lausitz sind sich die Koalitionsparteien einig, dass keine Flächen in Anspruch genommen werden oder abgesiedelt werden, die für den Betrieb der Kraftwerke im Rahmen des Kohlekompromisses nicht benötigt werden.

Quelle: Koalitionsvertrag – Kapitel „Energie und Klimaschutz“, Abschnitt „Braunkohle“, Seite 40/41

Einordnung des Handels der LEAG

Der Kohleausstieg ist ein gesamtgesellschaftlicher Kompromiss, auf den auch die LEAG als Unternehmen angewiesen ist. Das Unternehmen erwartet für die Stilllegung in Zukunft hohe Entschädigungszahlungen. Der Abriss dieser zwei Gebäude überschreitet eine Grenze. Dörfer unnötigerweise zu zerstören, zeigt die fehlende Wertschätzung der LEAG gegenüber der Gesellschaft. Denn das Braunkohleunternehmen erhält 1,75 Milliarden Euro Schadensersatz aus dem Kohleausstiegsgesetz. Bisher ist allerdings nicht klar, wie diese Summe festgelegt wurde. Diese Entschädigungszahlungen müssen komplett für die Sanierungen und Wiedernutzbarmachung der Braunkohletagebaue sichergestellt werden, denn die zukünftige Zahlungsfähigkeit von LEAG und MIBRAG als haftende Betreibergesellschaften der sächsischen Tagebaue ist nicht zweifelsfrei bewiesen.

Hier scheint es nur noch um Profit zu gehen – das nehmen wir als BÜNDNISGRÜNE nicht einfach so hin. Der „Rückbau“ der ersten beiden Höfe in Mühlrose ist deshalb deutlich mehr als nur der Rückbau zweier Häuser. Die LEAG möchte hier Fakten schaffen und Vorfestlegungen treffen, ganz nach dem Motto: „Wir werden die Kohle unter Mühlrose auf jeden Fall abbaggern“. Dafür gibt es aber keine bergrechtliche Genehmigung. Es liegen auch keine Anträge zum Abbaggern des Sonderfelds Mühlrose zur Genehmigung vor. Der Braunkohleplan, der für einen solchen Antrag den erforderlichen Rechtsrahmen bilden würde, ist noch in einem sehr frühen Stadium der Fortschreibung; so früh, dass dieser Fortschreibungsprozess vermutlich noch nicht einmal in dieser Legislaturperiode abgeschlossen wird.

Zur besseren Einordnung: Der Braunkohleplan ist ein gesetzlich vorgeschriebener Teil des Regionalplans. Dieser wird durch die regionalen Planungsverbände erstellt. Der Plan wird in einem jahrelangen Verfahren einschließlich Umweltverträglichkeitsprüfung und Öffentlichkeitsbeteiligung erstellt und per Planfeststellungsbeschluss in Kraft gesetzt.

Energie- und klimapolitische Ziele

Die Abbaggerung von Mühlrose sehen wir deshalb zum jetzigen Zeitpunkt genauso wie Klimaschützerinnen und Klimaschützer von Fridays for Future: ohne Genehmigung, ohne Verstand und ohne Not und damit als eine reine Machtdemonstration. Ganz davon abgesehen wird das Braunkohlegeschäft mit steigenden CO2-Zertifikatspreisen auf EU-Ebene und dem CO2-Preis pro Tonne auf Bundesebene zunehmend unrentabel (vgl.: Kohleatlas Sachsen 2017, Stille Hilfe für Bilanzen): Warum dann noch einen Tagebau erweitern? Hier sollte viel mehr in den Ausbau der Erneuerbaren Energien investiert werden.

Das EKP soll sich an einem zusätzlichen Ausbau von 10 Terrawattstunden (TWh) Jahreserzeugung aus erneuerbaren Energien bis 2030 orientieren. Für 2024 orientieren wir uns an einem Zubau-Zwischenziel von 4 TWh, von dem der Hauptteil durch Windenergie gewonnen werden soll.

Quelle: Koalitionsvertrag – Kapitel „Energie und Klimaschutz“, Abschnitt „EKP und erneuerbare Energien“, Seite 38

Dieses Ziel wurde in den Koalitionsverhandlungen hart erstritten und bildet nach wie vor die Grundlage unseres Handelns. Denn es geht uns darum, möglichst schnell auf eine CO2-freie Energieversorgung umzustellen, um die globale Temperaturerhöhung zu stoppen. Diese Temperaturerhöhungen sind der Grund für die zunehmende Trockenheit, die sich beispielsweise in Sandstürmen um die Tagebaue herum oder durch massiven Borkenkäferbefall manifestiert.

https://twitter.com/m_bittner/status/1155113711465619456?s=20

STudien widerlegen energiewirtschaftliche Notwendigkeit des Kohleabbaus

Es gibt mittlerweile außerdem eine ganze Reihe an wissenschaftlichen Untersuchungen, die energiewirtschaftliche Notwendigkeit des Kohleabbaus unter Mühlrose widerlegen. Anfang des Jahres 2020 hat Dr. Felix Christian Matthes vom Öko Institut e.V. eine „Analyse von Kraftwerks-Stilllegungspfaden für das Lausitzer Revier” veröffentlicht und errechnet, dass die Braunkohle in den bereits genehmigten Lausitzer Tagebauen für einen Kohleausstieg bis 2038 ausreicht. Dr. Pao-Yu Oei (TU Berlin, DIW Berlin) kommt in einer Anhörung im sächsischen Landtag ebenfalls zu dem Schluss: „es gibt keine energiewirtschaftliche Notwendigkeit für die Zerstörung von Mühlrose, Pödelwitz & Obertitz”. Und selbst die Studie „Plausibilisierung der Unternehmensplanung der LEAG hinsichtlich der Nutzung von Braunkohle” beauftragt durch die Bundesregierung und durchgeführt durch Ernst & Young, kommt zu dem Schluss, dass der aktuell planmäßig zu fördernde Kohlebedarf „um 139 Mio. t über dem geschätzten Kohlebedarf im Ausstiegsszenario gemäß der Bund-/Länder- Einigung” liegt. Ich fordere außerdem die Bundesregierung auf, das Gutachten von Ernst & Young unbedingt auch in der Langversion zu veröffentlichen.

Worum es mir geht und worum nicht

Allen, die Mühlrose verlassen und anderswo ihre Zukunft und Ruhe finden wollen, sei die Umsiedlung gegönnt. Es geht mir und unserer Fraktion nicht darum – wie von der LEAG behauptet – an der Rechtskräftigkeit der Umzugsmaßnahmen zu zweifeln. Das sind individuelle Entscheidungen, die ich selbstverständlich respektiere. Genauso wie meine Fraktion und Partei, werde ich auch weiterhin an der Seite derer stehen, die gegen die Abbaggerung der Dörfer und gegen die Kohle kämpfen. Für uns BÜNDNISGRÜNE gibt es viele Gründe, Mühlrose zu erhalten.

Mühlrose ist das Symbol für die jahrzehntelange Zerstörung der Natur sowie der sorbischen Kultur im Auftrag des klimaschädlichen Braunkohleabbaus. Mühlrose ist ebenfalls ein Symbol, vergleichbar mit Pödelwitz oder dem Hambacher Forst, für den Kampf der Klimaschützerinnen und Klimaschützer für Klimagerechtigkeit und die Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5°C. Es geht um nichts weniger als eine lebenswerte Zukunft für uns und alle kommenden Generationen. Mühlrose steht für den Kampf zwischen Kohlelobby und Klimaschutz, zwischen Profit und Zerstörung unserer Lebensgrundlagen. Es ist das Zeugnis für kommende Generationen, um zu dokumentieren, wie wir mit dieser Verantwortung umgegangen sind.


Veranstaltungshinweise:

Die Grüne Liga führt am 20.09.2020 einen Waldspaziergang „Der LEAG die Grenzen zeigen: Kommt zum Waldspaziergang am Tagebau Nochten” durch. Der Spaziergang beginnt um 13:30 Uhr am Bahnhof Schleife und endet in Rohne. Teilnehmer sind aufgefordert, die Abstandsregeln einzuhalten und Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen.

SAVE THE DATE – Am 13.09.2020 ist Tag des offenen Denkmals. Voraussichtlich wird dazu auch in Mühlrose eine Veranstaltung stattfinden.

Dieser Beitrag ist, sofern nicht anders angegeben, nach Creative Commons Namensnennung 4.0 International (CC BY 4.0  lizensiert.

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