Meine Rede im Sächsischen Landtag zur 2. Beratung des Gesetzentwurfs der Staatsregierung mit dem Titel: „Viertes Gesetz zur Änderung der Sächsischen Bauordnung“ (Drucksache 7/8836)
51. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Mittwoch, 01.06.2022, TOP 4
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
es ist uns gelungen, zusätzlich zu den Vereinbarungen im Koalitionsvertrag und dem Entwurf der Staatsregierung wichtige Hebel und Ausnahmemöglichkeiten in den Gesetzestext aufzunehmen, die dem Ausbau der Erneuerbaren im Freistaat einen Schub geben werden.
Dass es eine 1.000-Meter-Regelung zu Windenergieanlagen in Sachsen geben wird, kann niemanden ernsthaft überraschen. Diese Regelung wurde 2019 im Koalitionsvertrag so festgehalten und mit Blick auf viele gesellschaftliche Fortschritte wie ein Gleichstellungsgesetz, der Mietpreisbremse, ein Transparenzgesetz, die Rettung von Pödelwitz und vieles mehr von uns BÜNDNISGRÜNEN mitgetragen. Wir verhalten uns also an dieser Stelle vertragstreu und fordern das selbstverständlich auch von anderen.
Gleichzeitig tobt seit über drei Monaten ein völkerrechtswidriger Angriffskrieg auf die Ukraine und wir spüren tagtäglich die Folgen einer zu starken Energieabhängigkeit von den fossilen Rohstoffen eines einzigen Landes. Die neue Bundesregierung hat die entsprechenden Schlussfolgerungen gezogen und viele bisher auch in unserer Partei hochgehaltenen Ideale zu Gunsten der Unterstützung der Ukraine und der Sanktionen gegen Putin beiseite gelegt. Dass BÜNDNISGRÜNE einmal LNG-Terminals bauen oder einen Rüstungsetat aufstocken, hätte ich vor einem halben Jahr nicht geglaubt. ABER diese Dinge sind angesichts der aktuellen Lage eben notwendig. Diesen Lernprozess haben sowohl der Bund als auch die klaren Wahlsieger in Schleswig-Holstein oder Nordrhein-Westfalen (doppelt so dicht besiedelt) ebenso schnell vollzogen. Deswegen finde ich es persönlich extrem schade, dass dieser Prozess in Sachsen anscheinend noch nicht so weit fortgeschritten ist und an Überholtem festgeklammert wird. Und ehrlich gesagt, frage ich mich auch, wo der gesellschaftliche Aufschrei bzw. die Brandmauer Friedrich Merz bleibt, wenn in Thüringen die CDU gemeinsam mit der AfD den 1.000-Meter-Abstand durch den Landtag schiebt.
Wir müssen uns der Realität endlich stellen und die heißt: Der menschengemachte Klimawandel bedroht unsere und die Zukunft nächster Generationen massiv. Und sowohl gegen den Klimawandel als auch für das Erreichen der Energieunabhängigkeit helfen uns Erneuerbare Energien. Windräder sind keine Bestrafung, sie sind ein Mittel zur Souveränität, zur Bewältigung der Klimakrise und gleichzeitig Einnahmequellen für Kommunen. Sie können Spielplätze finanzieren, günstige und stabile Stromtarife lokal garantieren und werden in Zukunft sehr viele Arbeitsplätze schaffen.
Meine sehr geehrte Damen und Herren,
dass ich kein Freund der 1.000-Meter-Regelung bin, habe ich in vergangenen Reden schon erwähnt. Bisher kenne ich keinen wissenschaftlichen Beleg dafür, dass sie tatsächlich zu höherer Akzeptanz führt – die es ohnehin bereits gibt, wie wir seit der Akzeptanzstudie des Sächsischen Staatsministeriums für Energie, Klimaschutz, Umwelt und Landwirtschaft wissen. Aber wir werden diese Regelung mittragen. Wir sind vertragstreu.
Zusätzlich zum Entwurf der Staatsregierung haben wir eine ganze Reihe von Ausnahmen in die Regelung aufnehmen können, die es Kommunen ermöglicht, sowohl für Neubau als auch für Repowering Ausnahmen zu erlassen; auch zum Innenbereich. Bestehende Bauleit- und Regionalpläne sind von der Regelung ausgenommen. Das schafft Planungssicherheit für bereits laufende Projekte. Wir Senkung die baurechtlichen Abstandsfläche für Windenergieanlagen. Für eine aktuelle Anlage ergibt das eine Reduktion der zu sichernden Fläche von 63 Prozentpunkten. Damit müssen viel weniger Eigentümer ausfindig gemacht und überzeugt werden, ihre Fläche zur Verfügung zu stellen. Das entlastet auch die zuständigen Genehmigungsbehörden.
Diese Maßnahme wird, im Gegensatz zu den 1.000 Metern, auch Bestand haben, sobald der Bund ein Flächenziel für die Windkraft vorgibt, das Sachsen selbstverständlich unverzüglich umsetzen muss und wird. Ich bitte Sie daher zur Zustimmung der Beschlussempfehlung des Ausschusses.
Vielen Dank!
Redebeitrag zum Entschließungsantrag
Sehr geehrter Frau Präsidentin,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
für uns war dieser Entschließungsantrag immer ein zentraler Bestandteil in den Verhandlungen zur Bauordnung, denn darin sind noch einmal weitere zentrale Punkte zur Ermöglichung und Beschleunigung der Energiewende in Sachsen verankert. Ich möchte daher gern auf vier Punkte näher eingehen.
- Es wird eine gesetzliche Regelung zur Flexibilisierung der raumordnerischen Steuerung der Windenergieplanung geben. Das heißt, es wird künftig möglich sein, von den in den Raumordnungsplänen festgelegten Zielen abzuweichen. Um es noch deutlicher zu sagen: Windkraftanlagen werden künftig auch außerhalb von Vorrang- und Eignungsgebiete errichtet werden dürfen. Das wird zu einer massiven Verfahrensbeschleunigung führen. Ich erwarte hier von der Staatsregierung, dass dieser Gesetzentwurf noch vor der Sommerpause im Landtag vorliegt und hier noch in 2022 beschlossen wird.
- Durch das Oster- und Sommerpaket werden eine ganze Reihe an Änderungen auch auf Sachsen zukommen, vermutlich auch mit Auswirkungen auf die Abstandsregel. Deswegen wird uns jetzt die Staatsregierung unverzüglich über den notwendigen Handlungsbedarf aus den Paketen informieren und entsprechende landesrechtliche Anpassungen vornehmen. Im Koalitionsvertrag ist genau ein solches Szenario mit dem Klimaschutzgesetz antizipiert wurden und kann jetzt umgesetzt werden.
- Der Freistaat wird seiner Vorbildrolle gerecht und wird künftig Photovoltaik auf geeigneten Dachflächen und sonstigen Flächen ermöglichen oder selbst umsetzen. Es wird für diese Umsetzung im Jahr 2023 einen Realisierungsplan geben. Durch die neue Bauordnung sind auch Abstände für Photovoltaik drastisch gesenkt wurden, so dass hier künftig noch mehr Module aufs Dach passen und mehr Strom erzeugen können. Zugegeben, ich hätte mir hier noch ein ambitionierteres Datum gewünscht, aber ich gehe fest davon aus, dass nicht erst der komplette Plan geschrieben wird und man frühzeitig niedrig-hängende Früchte erntet, um die Einnahme- und Sparpotenziale von Einzelflächen sofort zu erschließen.
- Eine Studie des BMWI hat für das Lausitzer Revier ein Potential von zwei GW für die Windenergie und rund neun GWp für die Photovoltaik ermittelt. Die Erschließung der Bergbaufolgelandschaften zur Nutzung für Windparks und große Solarfreiflächenanlagen ist daher zur Erreichung der Klima- und Ausbauziele extrem wichtig. Dabei ist mir besonders wichtig, dass in Zukunft auch Wege gefunden werden sollen, die regionalen und kommunalen Akteuren der Energiewirtschaft sowie Formen der Bürgerenergie Zugang zu diesen Flächen ermöglichen. Es kann nicht sein, dass ein einzelnes Braunkohleunternehmen diese Flächen alleinig für sich beanspruchen kann.
Dieser Entschließungsantrag in Kombination mit den Ausnahmemöglichkeiten und den Entbürokratisierungsmaßnahmen aus der Bauordnung sind ein guter Kompromiss für Sachsen und ich bitte um Zustimmung.
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