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Netzausbau für die Energiewende – Meine Rede zur 1.Gleichspannungs-Verteilnetztagung in Görlitz

Ich war am Freitag den 12.April zur 1.Gleichspannungs-Verteilnetztagung eingeladen und durfte ein Grußwort an die Anwesenden richten. Ich unterstütze das Vorhaben des Frauenhofer IWU und drei sächsischen Hochschulen sehr, im Landkreis Görlitz einen Gleichspannungs-Campus zu errichten und die Forschung vom Transfer der Wechselspannung zu Gleichspannung zu bündeln. Denn Gleichspannung hat drei zentrale Vorteile:

  • Weniger Verluste (etwa -15%)
  • Weniger Materialbedarf für Leitungen (etwa 80-120% mehr Übertragungsleistung)
  • Höhere Netzstabilität

Mein Redebeitrag

Sehr geehrter Prof. Dr. Kornhuber,
Sehr geehrter Ex-Kollege und Landrat Dr. Meyer,
Sehr geehrter Damen und Herren,
Ich möchte mich ganz herzlich bei Ihnen für die Einladung bedanken. Ich freue mich sehr über die Möglichkeit hier bei Ihnen zur 1. Gleichspannungsverteilnetztagung ein Grußwort zu halten. Wer von Ihnen Nachrichten verfolgt, der bekommt es vielleicht mit, dass der Wahlkampf eingesetzt hat und daraus eine gewisse Lähmung im politischen Dresden durch das Superwahljahr eingetreten ist. Umso besser ist es Dingen wir ihrer Veranstaltung bewohnen zu dürfen, wo alle versuchen etwas umzusetzen und nicht zu blockieren.

Klimawandel und Grund für Veränderung

Mir wird in meiner Arbeit immer wieder die Frage gestellt, warum wir das Ganze, und damit meine ich den Umbau unseres Strom- bzw. Energiesystems eigentlich machen. Jahrzehntelang hat doch alles wunderbar funktioniert. Der Grund dafür – die Klimakrise – sollte hier im Raum sicher Konsens sein, aber ich muss Ihnen leider sagen, dass ich auch im Jahr 2024 im Sächsischen Landtag noch sehr vielen, den menschengemachten Klimawandel leugnenden Personen über den Weg laufe. Das Klima hat sich doch schon immer gewandelt. Jetzt sind erstmal die anderen Länder dran, oder mein Favorit: „Deutschland allein kann sowieso nichts tun”. CO2 sei als Voraussetzung für alles Leben unverzichtbar und die Steigerung der Konzentration in der Atmosphäre habe in der Vergangenheit zu einem Ergrünen der Erde beigetragen. Manche Menschen scheinen mit Wahnvorstellungen durchs Leben zu gehen, ich jedenfalls habe vor allem leider Rekordwaldbrände beobachten müssen, leider auch hier in Sachsen. Das Jahr 2023 war global, sowie auch in Deutschland das wärmste jemals gemessene seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Auch in Sachsen war es das wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen 1881, nämlich 2,3° wärmer als der Durchschnitt der Werte 1961-1990. Für 2024 wird mit noch höheren Werten gerechnet, Februar und März waren neue Rekordmonate, zum ersten Mal wurden 30°C schon an einem 8. April erreicht. Denn die Differenz an thermischer Energie, die die Erde wieder abstrahlt im Verhältnis zu der Energie der Sonne die aufgenommen wird, ist in den letzten 14 Jahren um 50% gestiegen.
Die Konsequenzen folgen auf dem Fuß. Die massive Trockenheit der vergangenen Jahre konnten auch durch 13% mehr Jahresniederschlag als im langjährigen Mittel den Wasserhaushalt nicht ausgegleichen werden. Die Starkregenereignisse werden häufiger, wie wir durch das Hochwasser um Neujahr beobachten mussten – glücklicherweise ohne größere Schäden in Sachsen. Und auf dem Fichtelberg endete die Skisaison bedauerlicherweise dieses Jahr bereits Mitte Februar. Historisch gab es da oben 61 „Eistage”, d.h. TMax < 0 – dieses Jahr waren es 31! Global gesehen kratzen wir gerade an der 1,5°-Grenze, die im Paris-Abkommen als nicht zu überschreitende Marke ausgegeben wurde, und die Erwärmung scheint sich gerade zu beschleunigen.

Stand und Ziele der Energiewende

Was ich versucht habe deutlich zu machen, ist, dass es jetzt allerhöchste Zeit etwas zu tun – und genau das tun sie hier. Und um ganz ehrlich zu sein, sind diese Punkte auch nicht erst seit gestern im politischen Raum bekannt, war doch 2007 schon eine deutsche Kanzlerin auf Grönland und hat sich die Auswirkungen des Klimawandels angeschaut. Es hätte also schon längst ein neues Übertragungsnetz oder Wasserstoffkernnetz geben können. Wie dem auch sei, sowohl die sächsische Landesregierung als auch die aktuelle Bundesregierung, haben sich auf die Fahnen geschrieben, insbesondere die Beschleunigung der Energiewende voranzutreiben. Und einige Früchte dieser Arbeit werden so langsam sichtbar – der Tanker ist groß, den es zu wenden galt. 2023 gab es mit 56% einen Rekordanteil der Erneuerbaren an der Stromerzeugung in Deutschland. Erstmals wird in Deutschland mehr Strom durch Erneuerbare erzeugt als durch die Kohle. Es gab 2023 ebenfalls einen Rekordzubau bei der Photovoltaik von 14 GW deutschlandweit, also nahezu eine Verdopplung zum Vorjahr. In Sachsen haben wir mit 641,7 MW ebenfalls den Rekord von 2012 gebrochen und im Q1 24 fast den Rekord von 23 schon übertroffen. Das Ziel für 2030 sind übrigens 215 GW installierte Leistung. Für Windkraftanlagen sollen 2030 Anlagen mit einer Leistung von 115 GW am Netz sein, wofür, lineares Wachstum unterstellt, 7,7 GW pro Jahr notwendig wären. 2023 wurden Deutschlandweit 8 GW genehmigt. Wie Sie vielleicht wissen, hat Sachsen hier großen Nachholbedarf – dieses Jahr ging noch kein neues Windrad ans Netz, aber waren es 2023 nur 29 genehmigte Anlagen mit 165 MW, befinden sich aktuell 130 Anlagen mit ca. 800 MW im Genehmigungsverfahren. Dazu kommt noch die Umsetzung des 2%-Flächenziels für Wind bis 2027 und dem aktuell diskutierten Gesetzentwurf zur Akzeptanzsteigerung bei Erneuerbaren, indem Betreibende an Standortkommunen Gewinnanteile abführen müssen. Wir haben damit in Sachsen, einem Braunkohleland, die Trendumkehr geschafft. Mit dieser Geschwindigkeit sind wir das erste mal tatsächlich auf Kurs unsere Ziele im Bund zu erreichen, wie auch das Umweltbundesamt vor kurzem bestätigt hat.

Energieeffizienz, Energiesuffizienz, Flexibler Verbrauch

Aber was nützt es denn, wenn wir die den Ausbaupfad schaffen, aber dann die Erneuerbaren abregeln müssen? Es kommen zusätzlich auch noch die Wärmepumpen, Wallboxen, Elektrolyseure usw. dazu. Die Engpässe und Redispatchkosten im Stromnetz des Jahres 2023 betrugen knapp 3,1 Milliarden Euro! Das sind 3,1 Mrd. € die wir alle über höhere Netzentgelt zahlen und die an anderer Stelle fehlen und für die dann natürlich fossile Kraftwerke einspringen mussten. Insgesamt gingen 2023 gut 19 TWh Strom aufgrund von Netzengpässen verloren. Zum Vergleich: Das entspricht etwa dem gesamten Jahresstromverbrauch Sachsens. Da ist es mehr als überfällig, dass die Bundesnetzagentur angekündigt hat 4800 Kilometer neue Leitungen auf Gleichstrombasis auszubauen. Kostenpunkt 76 Mrd. Euro. Die Kosten des Netzausbaus auf allen Ebene sollte so gering wie möglich sein. Gleichstromverteilnetze werden hier sicher dazu beitragen können diese Netzausbaukosten insgesamt zu senken.

Wir werden in Zukunft effizienter, suffizienter und auch flexibler die uns zur Verfügung stehende Energie verwenden müssen. Eine Studie des Zentralverbands Elektrotechnik und -industrie zeigt, dass Netzausbau und Effizienzmaßnahmen allein nicht genügen werden. Es braucht zudem vor allem Flexibilität beim Verbrauch, der etwa durch einen systemdienlichen Einsatz von Wärmepumpen, Heimspeichern und E-Autos erreicht werden kann. So haben wir aktuell z.B. 100 GWh fahrende Speicher in E-Autos in Deutschland. Im Ergebnis können sowohl für das Gesamtsystem als auch für die Verbraucherinnen und Verbrauchen Kosten reduziert und gleichzeitig die Versorgungssicherheit und die Wettbewerbsfähigkeit erhöht werden.

Besonders im Bereich der Industrie, der aktuell 50% des sächsischen Stromverbrauchs ausmacht, wird da noch einiges passieren müssen. Aktuell gehen rund 30% des sächsischen Primärenergieverbrauchs durch Umwandlungsverluste verloren. Es ist doch viel sinnvoller die Energie in Bremswiderständen, nicht in Wärme umzusetzen, sondern unter den anderen Verbrauchern in der Halle intelligent zu verteilen, damit die Qualität der Stromversorgung zu verbessern und insgesamt die Zuverlässigkeit der Anlagen zu steigern. Dazu kommt noch die Steigerung der Energieeffizienz durch den Wegfall von Umwandlungsverlusten. Das ist natürlich von besonderer Bedeutung für Sachsen mit seiner Automobilindustrie, der Mikroelektronik sowie dem Maschinen- und Anlagenbau.

Aber auch für den Bereich der Digitalisierung, insbesondere für die IT-Infrastruktur wie Rechenzentren, dafür interessiere ich mich als Informatiker und digitalpolitischer Sprecher besonders, scheint der Sprung auf Gleichstromnetze eine gute und lohnenswerte Entscheidung zu sein. Auch das sehr relevant für Sachsen, da auch der Freistaat selbst angekündigt hat Rechenzentren zu bauen und durch das neue Energieeffizienzgesetz schärfe Grenzwerte gelten. Der Trend zu mehr Rechenzentren ist meiner Meinung nach, sowieso nicht mehr aufzuhalten. Ich freue mich daher zu hören, dass Initiativen wie Open19 und das Open Compute Project die Ineffizienzen im Betrieb von Rechenzentren durch offene Spezifikationen und die Energieversorgung der Serverracks mit Gleichstrom beseitigt werden wollen. Erste Zahlen des OCP Projekts sprechen von 17% Prozentpunkten Verbesserung, und damit von einer Systemeffizienz jenseits der 90%.

Schluss

Seit 2016 ist mit den großen Forschungsprojekt DC-INDUSTRIE und DC-INDUSTRIE2, den vielen laufenden Projekten in Aachen, Ilmenau, Chemnitz, Dresden und Zittau, aber auch den Prototypen in Niedersachsen, Baden-Württemberg und Bayern schon sehr viel erreicht worden. Die Stromwende scheint mir auf dem Vormarsch zu sein, Gleichstrom hat Rückenwind. Und das nicht ohne Grund: Sie leisten mit Ihrer Arbeit einen wichtige Beitrag im Klimaschutz insbesondere für eine ressourcenschonende und klimaneutrale Industrie. Dafür möchte ich Ihnen danken.

Ich habe bei meiner Recherche für das Thema viele Überschriften gefunden, wie etwa „Gleichstrom erobert die Fabrik”, „Gleichstrom erobert das Rechenzentrum” oder auch ganz groß „Gleichstrom erobert die Welt”. Ob die Latte hier etwas zu hoch hängt, überlasse ich lieber Ihnen als Expertinnen und Experten. Ich wünsche Ihnen aber bei der Eroberung den größtmöglichen Erfolg.

Bleibt mir noch zu sagen, dass ich Ihnen ebenfalls eine erfolgreiche 1. Tagung wünsche, bahnbrechende Forschungsergebnisse und viel Erfolg mit dem DC-Campus, den ich gern im Rahmen meiner Möglichkeiten unterstützen werde.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Bild: Tom Richter

Dieser Beitrag ist, sofern nicht anders angegeben, nach Creative Commons Namensnennung 4.0 International (CC BY 4.0  lizensiert.

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