Der weitere Ausbau der Windenergie ist für die Energiewende und den Klimaschutz extrem wichtig. Doch leider ist Sachsen laut dem Bericht des Bundeswirtschaftsministeriums bundesweit auf dem letzten Platz, sowohl beim Ausbau von Anlagen, als auch bei der Ausweisung der Fläche (0,3 Prozent).
Zu oft werden Ausbau-Projekte durch einzelne Akteur:innen verhindert. Die Argumentation: Windräder führen zu Vogelschlag und dezimieren Populationen, beispielsweise die des Rotmilans. Der Schlagschatten der Flügel könne psychische Erkrankungen auslösen, Infraschall gefährde die Gesundheit oder das Mikroklima um die Anlagen verändere sich. Daher dachten mein Team und ich es sei höchste Zeit für einen Faktencheck. Wir haben uns einen Überblick über die verschiedenen Vorbehalte gegenüber Windenergie verschafft und viele Studien, Eckpuntpapiere und journalistische Recherchen zusammengetragen.
Mythos 1
Windräder gefährden durch Vogelschlag die Rotmilanpopulation.
Neusten Studien zur Folge, ist der Tod durch die Kollision mit Windkraftanlagen beim Rotmilan weniger populationsgefährdend als gedacht. Die größte Bedrohung für diese Art ist die illegale direkte Vergiftung zur Tötung von Raubtieren, Nutztieren und Wildtieren (Füchse, Wölfe, usw.), sowie die indirekte Vergiftung durch Pestizide und die Sekundärvergiftung durch den Verzehr vergifteter Nagetiere. Laut Recherchen des ZDF werden weitaus weniger Rotmilane von Windkraftanlagen erschlagen, diese Todesursache rangiert auf Rang 7. Gleichzeitig stellen Windkraftanlagen eine potenziell ernsthafte Bedrohung für die Zukunft der Art dar. Daher hat das Bundesministerium für Umweltschutz gemeinsam mit dem Bundeswirtschaftministerium ein Eckpunktepapier veröffentlicht, welches Abstände für Einzugsgebiete gefährdeter Arten wie den Rotmilan zu Windkraftanlagen vorsieht. Artenschutzgutachten bei der Planung von Windkraftanlagen, Artenhilfsprogrammen und Antikollissionssystemen kommen im Prozess der Lösung des Zielkonflikts zwischen Artenschutz und klimafreundlicher Energiegewinnung eine zentrale Rolle zu.
Mythos 2
Durch Windräder entsteht Infraschall, der Menschen in der Umgebung krank macht.
Was ist Infraschall überhaupt? |
Infraschall liegt unterhalb der menschlichen Hörschwelle von 16 bis 20 Hertz und ist für das menschliche Ohr erst ab einem gewissen Schalldruck in Form von sehr tiefen Tönen oder einem „Grundrauschen“ wahrnehmbar. Natürlicher Infraschall wird beispielsweise von Meeresbrandung ausgesetzt, menschengemacht ist z.B. durch Automotoren. |
An Windkraftanlagen ist Infraschall zwar messbar, die Infraschalldruckpegel liegen jedoch selbst im nahen Umfeld (150 bis 300 m) unterhalb der Wahrnehmungsschwelle des Menschen und haben damit keine negative Wirkung auf die menschliche Gesundheit, wie das vom hessischen Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung herausgegebene Faktenpapier darlegt. In einer finnischen Studie wird die Belastung nahe einer Windkraftanlage mit der Infraschallbelastung in einer urbanen Gegend verglichen.
Zudem weist eine Studie der University of Auckland den sogenannten Nocebo-Effekt nach: Menschen die gegenüber Windkraftanlagen negativ eingestellt sind, berichten deutlich häufiger von negativen gesundheitlichen Einflüssen. Diese subjektiven Befürchtungen können dann das Stressempfinden und die Unzufriedenheit so signifikant erhöhen, dass die negativen Erwartungen im Extremfall tatsächlich psychosomatische Erkrankungen auslösen.
Die Bundesanstalt für Geologie und Rohstoffe (BGR) hatte 2018 eine Studie über Infraschallbelastung durch Windkraftanlagen mit einem signifikanten Rechenfehler herausgegeben. Dadurch standen Windkraftanlagen im Verdacht zu hohe Infraschallpegel zu produzieren. Dank Recherchen engagierter Wissenschaftler:innen wie Stefan Holzheu wurden die fehlerhaften Werte zurückgenommen – sogar der damalige Wirtschaftsminister Altmaier entschuldigte sich für die Diskreditierung der Windkraft durch eine ihm unterstellte Bundesbehörde.
Mythos 3
Windkraftanlagen verändern das Mirkoklima und treiben die Klimaerwärmung voran
Windräder bewegen Luftströme durch die Rotation ihrer Rotorblätter. Dadurch werden Luftschichten unterschiedlicher Temperaturen durchmischt. In Bodennähe wird es etwas wärmer, in den Luftschichten über der Windturbine etwas kälter. Es kommt aber keine Wärme hinzu. Dies wird deutlich in einer Harvard-Studie, die von einer lokalen Temperaturerhöhung von 0,24°C im kontinentalen Gebiet der USA bei 100% Stromerzeugung durch Windkraft ausgeht. Gleichzeitig sei dies kein globales Phänomen und die Atmosphäre bliebe davon unberührt. In einer Recherche des MDR gaben mehrere Wissenschaftler:innen an, dass sie bei dem derzeitigen Planungsvorhaben keine bedeutenden Auswirkungen auf globale Strömungen zu erwarten seien.
Mythos 4
Schlagschatten von Windrädern führt zu psychischen Belastungen
Windenergieanlagen werfen Schatten. Die Besonderheit ist, dass ihr Schattenwurf rotiert. Dies kann in der direkten Nachbarschaft zu Belastungen führen. Daher gibt es eine bundesweiten Regelung, die auf Grundlage wissenschaftlicher Untersuchungen den Grenzwert von 30 Stunden pro Kalenderjahr und 30 Minuten pro Kalendertag festlegt.
Diese Grenzwerte werden in Sachsen in den Hinweisen zur Ermittlung und Beurteilung der optischen Immissionen von Windenergieanlagen (WEA-Schattenwurf-Hinweise) festgelegt.
Mit jedem Genehmigungsverfahren geht eine Berechnung der optischen Immissionen einher. Wird der Grenzwert überschritten, müssen die Genehmigungsbehörde und Planer zu einer Lösung kommen, wie eine Beeinträchtigung durch Schattenwurf im späteren Betrieb der Anlagen verhindert werden kann. Sind Maßnahmen wie das Verschieben von Anlagen nicht möglich, dann muss bei den betreffenden Anlagen eine Abschaltautomatik eingebaut werden.
Ein Kommentar
Hallo Herr Dr. Gerber,
vielleicht können Sie Ihre Liste der Mythen noch ein wenig erweitern. Der Bedarf scheint ja immer noch hoch zu sein.
Hier ein paar Anregungen ;-):
– Windkraftanlagen trocknen Böden aus.
– Windkraftanlagen bremsen die Erdrotation ab.