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Veranstaltungsempfehlungen zur Regulierung von Telegram und Europas neuem digitalen Grundgesetz

Im letzten Plenum im Landtag habe ich über Verschwörungstheorien und Hass im Netz debattiert. Gerade gibt es viele Stimmen, die strikte Einschränkungen, wie eine Löschung aus den App Stores oder Netzsperren von Telegram fordern. Ich habe mich in letzter Zeit öfter gefragt: Können wir mit Hilfe einer technischen Lösung ein soziales Problem lösen? Ich bin mir sicher, dass wird so nicht gehen.

Bekommen wir wirklich den Hass und die damit typischerweise verbundenen Fake News mit Netzsperren oder dem Rauswurf aus den App Stores in den Griff? Was denkt ihr zu dem Thema?

Die Diskussion hat große Relevanz für unsere Demokratie und das Miteinander in unserer Gesellschaft. Daher freue ich mich, dass die Sächsische Landeszentrale für politische Bildung eine Veranstaltung über das Für und Wider einer Regulierung des Messenger-Dienstes Telegram organisiert. Diese findet am Donnerstag, 27.01.2022, von 19:00–20:30 Uhr statt.

Auf europäischer Ebene bringt der Digital Services Act neue Regelungen für Digital-Plattformen mit sich. Im Kampf gegen Hass, Hetze, Desinformation und Radikalisierung soll die EU damit endlich die Gegenmittel bekommen, die sie braucht. Darüber möchte der neu gegründete Verein „Europe Calling e.V.“ mit hochkarätigen Gästen wie Frances Haugen (Facebook Whistleblowerin) diskutieren. Das Webinar findet ebenfalls am Donnerstag, 27.01.2022, ab 20 Uhr statt.

Hass im Netz auch Thema im dänischen Parlament

Bei Twitter habe ich einige interessante Statements vom Professor für Political Sciene an der Aarhus University Michael Bang Petersen gefunden, der in der vergangenen Woche im dänischen Parlament zum Thema Hass im Netz gesprochen hat. Ich habe für euch den Thread einmal ins Deutsche übersetzt, weil ich denke, dass er sehr gut den aktuellen Forschungsstand und Anhaltspunkte für Lösungsansätze transportiert. Ich finde, dass Wissenschaft grundsätzlich einen höheren Stellenwert in der politischen Entscheidungsfindung erhalten muss.

Die Daten sind eindeutig: Wir haben ein Problem. Die Bürger:innen finden Online-Debatten hasserfüllter; die Anständigen ziehen sich aus den Diskussionen zurück; Politiker:innen und Personen des öffentlichen Lebens werden online belästigt. Leider gibt es einige Mythen über die Ursachen. Lösungen erfordern aber eine korrekte Problemidentifizierung.

  • Mythos 1: Es gibt zu viel Falschinformationen auf Social Media. Nein, Untersuchungen zeigen, dass es nur wenig Falschinformationen gibt, die von wenigen geteilt werden und nur geringe Auswirkungen haben. Diejenigen, die Falschinformationen verbreiten, sind nicht dumm. Sie haben starke politische Abneigungen, die sie motivieren, das zu teilen, was in ihr Weltbild passt, ob wahr oder falsch. Das führt zu neuen Herausforderungen:
    1. Das eigentliche Problem ist die voreingenommene Weitergabe. Selbst wenn alles wahr ist, wird durch selektives Teilen ein verzerrtes Bild entstehen.
    2. Die Menschen können lernen, Fake News zu erkennen. Das eigentliche Problem ist die intellektuelle Bescheidenheit: sie dazu zu bringen, echten Nachrichten zu vertrauen und zu teilen.
  • Mythos 2: Social Media macht Menschen hasserfüllt. Nein, die Forschung zeigt, dass Hass im Netz durch Frust in der realen Welt hervorgerufen wird, der sie sowohl online als auch offline hasserfüllt macht. Hasserfüllten Menschen sind zahlenmäßig gering, werden jedoch von der Politik angezogen und sind daher viel sichtbarer. Daraus ergeben sich wiederum neue Herausforderungen:
    1. Langfristige Lösungen für Hass im Netz erfordern die Beseitigung der Ursachen von Frust in der realen Welt. Es gibt keine schnellen Lösungen.
    2. Da hasserfüllte Menschen von der Politik angezogen werden, muss man sich bemühen, dass Debatten nicht feindselig werden. Es braucht klare Regeln, die auch durchgesetzt werden.
  • Mythos 3: Social Media sind Echokammern. Nein, die Forschung zeigt, dass soziale Medien für die meisten die Bezugsgruppe eher vergrößert. Wir sind in den sozialen Medien stärker mit „den anderen“ verbunden als in unserem Offline-Leben. Das ist der Grund, warum es sich unangenehm anfühlt – weil es die hasserfüllten „Anderen“ sind, denen wir begegnen. Das führt zu folgenden Herausforderungen:
    1. Wenn wir Hass ausgesetzt sind, kann dies dazu beitragen, Hass zu legitimieren, zum Teil weil unsere Ansichten über die anderen politischen Gruppen verzerrt werden.
    2. Wenn Konnektivität das Problem ist, beinhalten kurzfristige Lösungen die Konzentration auf die Abschirmung gegen Hass, nicht die Veränderung der hasserfüllten Menschen selbst.

Alles in allem sind die sozialen Medien gar nicht so geheimnisvoll. Für Entscheidungsträger sind die sozialen Medien ein Fenster zu den am meisten frustrierten Menschen. Für Aktivisten sind soziale Medien einfach ein Werkzeug, um ihre politischen Ziele effektiv zu erreichen. Die Menschen sind ziemlich gleich, online und offline.

Auf dieser Grundlage hat Michael Bang Petersen das Parlament gebeten, an 4 Lösungen zu arbeiten:

  1. Wie die Mythen zeigen, brauchen wir Einsicht. Wir müssen auf Offenheit und externe Aufsicht über Daten und Algorithmen von Technologieplattformen bestehen.
  2. Vorrangige Nutzung von Instrumenten, die es Menschen ermöglicht, sich vor dem Kontakt mit hasserfüllten Inhalten zu schützen.
  3. Konzentration auf nicht nur digitale, sondern besonders demokratische Bildung. Das Problem ist nicht, dass Menschen nicht mit der Technik vertraut sind. Das Problem ist ein Mangel an Rationalität.
  4. Wir müssen in die Beseitigung der Offline-Frustgefühle investieren, die wiederum Hass im Netz auslösen. Die Beendigung von Hass erfordert echte Veränderungen in der Offline-Welt.

Dieser Beitrag ist, sofern nicht anders angegeben, nach Creative Commons Namensnennung 4.0 International (CC BY 4.0  lizensiert.

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