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Neue Lizenz für Braunkohletagebau Turów – BÜNDNISGRÜNE: Die Erteilung der Lizenz verstößt gegen EU-Recht

Gerber und Cavazzini: Das Ende der Lizenz für Turów zum 30. April 2020 wäre die einzig richtige Lösung für den Klimaschutz gewesen.

Dresden. Der Braunkohletagebau in Turów wird weitergeführt. Der Betreiber PGE teilte am 24.03.2020 mit, dass der polnische Klimaminister Michał Kurtyka am 20.03.2020 eine neue Konzession erteilt habe. PGE darf als Betreiber demnach weitere sechs Jahre dem Braunkohleabbau in der Grenzstadt zu Sachsen und Tschechien nachgehen. Die Fläche des Abbaus soll im Vergleich zur Konzession von 1994 reduziert werden. Jedoch seien auch weiterhin Bergbauaktivitäten in mehr als der Hälfte des Gebiets der bisherigen Konzession durchführbar. Bei dem Verfahren konnten, laut der tschechischen Frank-Bold-Gesellschaft, keine Einwände gegen das Vorhaben aus der Öffentlichkeit vorgebracht werden. Gleichzeitig läuft laut PGE derzeit noch ein zweiter – bereits 2015 gestellter – Antrag auf Verlängerung und Ausbau der Konzession bis 2044 weiter.

Dazu erklärt Daniel Gerber, energie- und umweltpolitischer Sprecher der BÜNDNISGRÜNEN-Landtagsfraktion und Mitglied im Ausschuss für Energie, Klimaschutz, Umwelt und Landwirtschaft:

„Das sind unglaubliche Entscheidungen. Polen versucht Tatsachen zu schaffen, die auch weitreichende Folgen für Sachsen und Tschechien haben.“

„Ich bin sehr besorgt. Anliegende Städte – auch in Sachsen – sind bereits jetzt nur noch wenige Kilometer von der Grube entfernt. Das Ende der Lizenz zum 30. April 2020 wäre die einzig richtige Lösung für den Klimaschutz gewesen.“

„Es ist jetzt dringendes Handeln geboten. Die Auswirkungen des Braunkohletagebaus für das Klima sind katastrophal. Der Klimawandel hält nicht plötzlich den Atem an, wie es aktuell das öffentliche Leben durch die Ausbreitung des Corona-Virus tut. Um die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen, müssen überall in Europa erneuerbare Energien ausgebaut und Kohlekapazitäten abgebaut statt verlängert werden.”

„Außerdem steht die erneute Verlängerung der Lizenz auch dem Wohle der Menschen und dem aktiven Schutz der Gesundheit der Anwohnerinnen und Anwohnern entgegen. Eine Studie des CREA (Centre for research on energy and clean air) zeigte kürzlich, dass die Verschmutzung durch Turów zu gesundheitlichen Schäden bis zum vorzeitigen Tod führt, auch hier in Sachsen. Schadstoffemissionen machen an keiner Grenze halt.“

Die sächsische Grünen-Europaabgeordnete Anna Cavazzini fügt hinzu:

„Ich habe bereits mehrfach angemahnt, dass das Projekt gegen EU-Recht verstößt. Die Erteilung der Lizenz ohne das Bürgerinnen und Bürgern von ihrem Recht auf Einwände haben Gebrauch machen können, verstößt erneut gegen EU-Recht. Wenn Mahnungen nichts bringen, muss die EU-Kommission jetzt folgerichtig die rechtlichen Schritte in Form eines Vertragsverletzungsverfahren gegen Polen einleiten.“

„Auch – und besonders –  in diesen schwierigen Zeiten der europaweiten Corona-Pandemie muss die EU-Kommission auf die Einhaltung der EU-Verträge achten. Wird das EU-Recht nicht umgesetzt, steht der EU-Kommission die Aufgabe zu, den Gerichtshof anzurufen und die Zahlung von Strafgeldern anzuordnen.“

„Polen kann noch umkehren. Der Green Deal als aktuelles politisches Programm will die EU bis spätestens 2050 zu einem klimaneutralen Kontinent machen. Polen sollte sich gemeinsam mit Deutschland und Tschechien hier im Dreiländereck aufmachen, durch Fördergelder wie den europäischen ‚Just Transition Fund‘ eine grenzüberschreitende Kohleausstiegsregion zu werden.“

„Besonders traurig finde ich die Ignoranz gegenüber der laufenden Petition gegen den Ausbau des Tagebaus, die auch ich – als Vertreterin des Europäischen Parlaments – erst vor knapp drei Wochen entgegengenommen habe. Fast 13000 engagierte Europäerinnen und Europäer haben ihre Unterschrift getätigt. Anstatt die Entscheidung auf europäischer Ebene abzuwarten, prescht Polen mit einer nationalstaatlichen Entscheidung vor. Wenn die Kommission jetzt nicht handelt, wird die Enttäuschung der Bürgerinnen und Bürger groß sein und das Vertrauen in die EU wiederholt geschwächt.“

Hintergrund:

Derzeit ist noch eine Petition gegen die Verlängerung und den Ausbau des Braunkohletagebaus Turów offen. Fast 13.000 Menschen hatten die Petition unterschrieben, die von der tschechische Regionalbehörde in Liberec gemeinsam mit zehn Gemeinden und Greenpeace initiiert wurde. Am 05.03.2020 überreichten die Petentinnen und Petenten das Dokument offiziell an Abgeordnete des Europäischen Parlament in Brüssel. Ein erster Erfolg war die Entscheidung des Europäischen Parlament aufgrund der Dringlichkeit, die Petition im Eilverfahren zu behandeln. Durch die Ausbreitung des Coronavirus sind die Tätigkeiten der Ausschüsse des Europäischen Parlaments in Brüssel derzeit reduziert. Die Bearbeitung der Petition war für den Petitionsausschuss am 16. und 17.03. angesetzt. Dies wurde ohne neues Datum abgesetzt.

Der Braunkohletagebau in Turów hat laut einer tschechischen Studie zur Absenkung des Grundwasserspiegels geführt. Somit drohen 30.000 Menschen in der Region Liberec der Verlust des Trinkwassers. Weitere Folgen sind Luftverschmutzung, Lärmbelästigung und Wasserknappheit. Hiervon sind Tausende Menschen in Polen, Tschechien und Deutschland betroffen

>> Link zur Studie ‚Air quality, toxic and health impacts of the Turowpower plant‘ vom CREA (Centre for research on energy and clean air)

Die bisherige Konzession des Braunkohletagebaus in Turów aus dem Jahr 1994 läuft am 30. April 2020 aus. Um den Abbau weiterzuführen, wurde 2015 ein erster Antrag auf Verlängerung und Ausbau bis 2044 gestellt. Dieser Antrag wurde durch eine Umweltverträglichkeitsprüfung mit öffentlichen Anhörungsverfahren begleitet. Bis zum 20. Januar 2020 hatten etliche Menschen von ihrem Recht Gebrauch gemacht, Einwände gegen das Vorhaben vorzubringen. Am 21. Januar 2020 hatte die Umweltbehörde in Wroclaw (Breslau) dem Antrag auf Verlängerung und Ausbau bis 2044 die Zustimmung erteilt. Das Dokument erschien damals ausschließlich auf Polnisch. Erst seit dem 16. März 2020 sind die polnischen Unterlagen auf Deutsch übersetzt und einsehbar. Sie umfassen über 180 Seiten. Beteiligte in Deutschland und Tschechien, die Einwände eingereicht hatten, werten den Genehmigungsbeschluss derzeit aus und prüfen weitere Schritte.

>> Link zum Dokument
>> Link zur Bekanntmachung ab 16.03.2020

Im Dezember 2019 stellte PGE einen zweiten – anderen – Antrag auf Verlängerung der Konzession um 6 Jahre bis 2026. Bei dem Verfahren konnten, laut der Frank Bold Gesellschaft, keine Einwände gegen das Vorhaben aus der Öffentlichkeit vorgebracht werden. Das stellt einen Verstoß gegen das EU-Recht dar. Der zweite Antrag wurde nun nach Angaben von PGE, auf Basis des Genehmigungsbeschluss der polnischen Umweltbehörde vom 21. Januar 2020, am 20. März 2020 durch den Klimaminister Polens Michał Kurtyka bewilligt.
>> Link

Dieser Beitrag ist, sofern nicht anders angegeben, nach Creative Commons Namensnennung 4.0 International (CC BY 4.0  lizensiert.

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