Wie schafft man es, die Digitalisierung der sächsischen Verwaltungen voranzutreiben und gleichzeitig Steuergelder für externe und oftmals teure Beratungsfirmen und Coachings einzusparen? Ein sehr erfolgreiches Konzept hat der Freistaat dafür aus Baden-Württemberg importiert: das Konzept der Kommunalen Digital-Lotsen.
Seit 2019 werden in Sachsen Verwaltunsgmitarbeitende als digitale Multiplikatoren gewonnen und qualifiziert. Als Impulsgeber stoßen sie in der Kommune vor Ort die digitale Transformation von Verwaltungsprozessen an und beschleunigen Digitalisierungsprojekte. Am Digital-Lotsen-Programm des Sächsischen Städte- und Gemeindetags können sich alle sächsischen Kommunen kostenfrei beteiligen, die sich Unterstützung bei der Digitalisierung wünschen. Im Mittelpunkt des Programms stehen kontinuierlicher Austausch und gegenseitiges voneinander lernen. Denn Verwaltungsdigitalisierung bedeutet nicht nur technische Veränderung, sondern immer auch ein Neudenken von Prozessen und Organisation. Die Veränderungen in den Köpfen ist manchmal schwieriger umzusetzen, als eine neue technische Lösung. Wie dieser Wandel in den Köpfen und den Fachanwendungen trotzdem beschleunigt werden kann, konnte ich mir im März zum jährlichen Netzwerktreffen der Digital-Lotsen an der Universität Leipzig selbst anschauen und viel Impulse (siehe unten) mitnehmen.
Warum brauchen wir eine digitalisierte Verwaltung?
Kommunen entscheiden selbstständig per Teilnahme-Erklärung, wenn eine mitarbeitende Person bei den Digital-Lotsen netzwerken und als Digital-Navigator fungieren soll. Das Programm ist als Hilfestellung gedacht, aber auch ohne Teilnahme wird von den Kommunen per Onlinezugangsgesetz verlangt, Verwaltungsdienstleistungen flächendeckend digital anzubieten. Die hohe Arbeitsbelastung vieler Verwaltungen durch den Fachkräftemangel, die Möglichkeit effizienter Verwaltungsvorgänge bearbeiten zu können und orts- und zeitunabhängig für Bürgerinnen, Bürger und Unternehmen erreichbar zu sein, sind Gründe, warum sich viele Mitarbeitende in Sachsen bereits zur Teilnahme entschieden haben. Damit die personelle Situation verbessert und das vorhandene Personal gestärkt wird, nimmt der Freistaat Geld für das Projekt Digital-Lotsen in die Hand. In der demokratischen Wissensgesellschaft spielen daneben auch Transparenz, ein einfacher Zugang zu Informationen und Nutzerfreundlichkeit eine wichtige Rolle.
Eine Sicht, die ich auch immer wieder versuche in den Vordergrund zu stellen, vertritt auch der Staatssekretär für Digitale Verwaltung und Verwaltungsmodernisierung Thomas Popp. Er sieht die Verwaltungsdigitalisierung ebenso wie ich als Verpflichtung und als Mittel zur Stabilisierung unserer Demokratie an:
„Unsere Verwaltung modern und digital zu gestalten, ist unsere Pflicht. Bei all unseren Aktivitäten und Bemühungen geht es mir um ein großes Ziel: die Handlungsfähigkeit unserer Verwaltung zu erhalten! Die Verwaltung muss in der Lage sein, die Aufgaben, die an sie gestellt werden, zu bewältigen. Unsere Handlungsfähigkeit wird aber auch an den Erwartungen der Bürgerinnen, Bürger und Unternehmen gemessen. Menschen, die mit digitalen Verwaltungsangeboten zufrieden sind, schätzen die Leistungsfähigkeit des Staates höher ein. Das führt wiederum dazu, dass sie sich auf den Staat verlassen. Vertrauen in die Handlungsfähigkeit und Verlässlichkeit des Staates sind die Basis unserer Demokratie. Und diese müssen wir schützen.“
Sachsenlandkurier – 01/24
Neue Entwicklungen wie künstliche Intelligenz und Automatisierung von Fachverfahren stellen Verwaltungen ebenfalls vor Herausforderungen, können aber den Verwaltungsmitarbeitenden gleichzeitig mehr Freiräume verschaffen, um sich den Anliegen der Bürgerinnen und Bürger zuzuwenden. Und das ist das Wichtigste: mehr Zeit für die Lösung echter Probleme und weniger Verluste durch ineffiziente Verfahren und eingescannte Faxe.
Wie ist der Stand der Digitalisierung?
Dr. Mario Hesse stellte beim Treffen in Leipzig neuste Studienergebnisse zum Stand der Digitalisierung in Sachsen vor.
Die größten Painpoints sind laut Studie der Personalmangel, in die Jahre gekommene Software und die Ausstattung mit finanziellen Mitteln. Während wir uns für einen flächendeckenden Breitbandausbau (siehe dazu [1] und [2]) eingesetzt haben und viele Maßnahmen auch schon umgesetzt sind, wird die Personalweiterbildung im IT-Bereich als unterfinanziert wahrgenommen.
Laut Dr. Hesse ist der Wille zur Digitalisierung der Mitarbeitenden wichtig für die Umsetzung, weniger der Druck von außen. Generell gäbe es eine positive Sicht auf die Digitalisierung und kaum Befürchtungen, dass dadurch Stellen abgebaut werden. Dass Menschen innerhalb der Verwaltungen durch Weiterbildungen mitgenommen werden, wird als wichtig angesehen.
Zentral wird von den Mitarbeitenden auch die Frage angesehen, für was eigentlich digitalisiert werden soll. Denn nicht überall ist es sinnvoll analoge Verfahren zu verändern.
Praxisbeispiele der Digital-Lotsen vom Netzwerktreffen
Standesamt in Frohburg: Aus Frohburg berichtete Danny Morgner: dort bietet das Standesamt die Möglichkeit an, online verschiedene Dokumente wie Geburtsurkunden, Heiratsurkunden, Lebenspartnerschaftsurkunden und Sterbeurkunden zu beantragen und dafür mit Paypal zu bezahlen. Auf Beschluss des Stadtrats werden die Transaktionsgebühren für einen Zeitraum von zwei Jahren von der Stadt übernommen, was den Service für die Bürgerinnen und Bürger noch attraktiver macht.
Stadtkasse in Hartha: Manuela Kuhlen berichtete eindrucksvoll von ihren Erfahrungen bei der Einführung einer Vollstreckungssoftware. Ihr Fazit: Digitalisierung kostet nicht nur Geld. Sie kann auch einsparen!
Denn bei den dicken Akten in der Vollstreckung den Überblick zu behalten, ist ein enormer Aufwand. So ging der Kommune bei der komplett analogen Abwicklung viel Geld verloren. Jetzt läuft die Vollstreckung in Hartha komplett digital. Mahnungen werden automatisch verschickt und Manuala Kuhnen schreddert anlogen Zwillinge der digitalisierten Akten. Vielen Dank für das mutige Vorangehen und viel Erfolg bei weiteren Digitalisierungsprojekten der Stadtverwaltung Hartha!
Nachhaltige Digitalisierung mit den Digital-Lotsen
Dass Menschen innerhalb der Verwaltungen bei den Digital-Lotsen zu Botschaftern der Digitalisierung werden und innerhalb ihrer Abteilungen bestehende Prozesse aufbrechen und sich Gedanken darüber machen, wie Verwaltungsvorgänge digital abgebildet und verbessert werden könnten, ist ein sehr nachhaltiges Konzept. Denn wenn man einen schlechten analogen Prozess digitalisiert, kann man nur einen schlechten digitalen Prozess erhalten.
So bleibt die Expertise im Team und kann in bereits bestehenden kollegialen Beziehungen gemeinsam kontinuierlich weiterentwickelt werden. Mich überzeugt dieser Ansatz, dass Mitglieder des eigenen Verwaltungsteams zu Digitalexpertinnen und -experten ausgebildet werden. Dieser Vorschlag ist nachhaltiger, als externe Beratung in Anspruch zu nehmen. Daher werde ich mich dafür einsetzen, dass das Projekt auch in Zukunft gefördert werden wird.