Am 5. Juni 2023 habe ich ein Online-Fachgespräch unter dem Motto „Open Data für Sachsen“ veranstaltet.
Mein Ziel war ein Austausch zu den Bedarfen von Akteuren aus Verwaltung, Wirtschaft und Zivilgesellschaft, um die Potenziale von Open Data und Daten allgemein in Sachsen zu heben. Gemeinsam haben wir besprochen, welche Möglichkeiten in Open Data stecken, welche Hindernisse es aus dem Weg zu räumen gilt und welche politischen und technischen Rahmenbedingungen für eine höhere Verfügbarkeit, Anwendung und Nutzung von Open Data geschaffen werden müssen.
Inhaltsverzeichnis
- Expertinnen und Experten
- Meine Motivation für ein Fachgespräch
- Was haben die Expertinnen und Experten gesagt?
- Welche Fragen gab es aus dem Fachpublikum?
- Welche Erkenntnisse nehme ich für meine weitere politische Arbeit mit?
Expertinnen und Experten
Zum Fachgespräch waren neben einem breiten Fachpublikum aus Sachsen auch vier Expertinnen und Experten eingeladen:
- Prof. Thomas Popp, Mitglied der Sächsischen Staatsregierung und CIO, Staatssekretär für Digitale Verwaltung und Verwaltungsmodernisierung
- Dr. Stefan Heumann, Mitglied der Gründungskommission des Dateninstituts, Geschäftsführer Agora Digitale Transformation gGmbH
- Sophie-Odette Smolka, Leiterin Projektmanagment bei LRP-Autorecycling Leipzig GmbH, verantwortlich für die Aktivität bei Catena-X
- Julia Zimmermann, CityLab Berlin, Projektleitung „Gieß den Kiez“, beteiligt bei „Leipzig gießt“ (Gewinner des Sächsischen Digitalpreises 2022)
Das Format stieß bei allen Beteiligten auf ein großes Interesse. Alle waren sich über das Potenzial von Open Data einig. Viele Akteure arbeiten bereits seit längerem an der Thematik, jedoch fehlt es vor allem noch an einer zentralen Koordination, um den Austausch über bisherige Erfahrungen und Vorgehensweisen zu verbessern. Ich werde die Erkenntnisse aus dem Fachgespräch für meine weitere politische Arbeit mitnehmen, um das Potenzial von offenen Daten für Sachsen weiter auszubauen.
Meine Motivation für ein Fachgespräch
Der für alle freie Zugang zu staatlichen Daten ist im digitalen Zeitalter zentral für gesellschaftliche und wirtschaftliche Aktivitäten. Für die Gesellschaft sind offene Daten eine Voraussetzung für Mitbestimmung und eine pluralistische Meinungsbildung. Für die Wirtschaft ermöglichen offene Daten neue Dienstleitungen und die Gründung von Unternehmen, wodurch ein wirtschaftlicher Mehrwert geschaffen werden kann.
Ich setze mich deswegen in meiner politischen Arbeit täglich dafür ein, dass mehr Daten der sächsischen Verwaltung für die Öffentlichkeit frei zur Verfügung stehen.
Dazu hat die sächsische Koalition auch Vereinbarungen im sächsischen Koalitionsvertrag getroffen:
[…] die Entwicklung einer Open-Data-Strategie […]
sowie:
Die Open Data-Regelungen im E-Government-Gesetz entwickeln wir weiter, um Wertschöpfung in der Wirtschaft und neue Geschäftsmodelle zu ermöglichen.
Bisher sind diese Punkte noch nicht in Gänze umgesetzt, woraus die Idee für ein Fachgespräch entstand.
Was haben die Expertinnen und Experten gesagt?
Eröffnet wurde das Fachgespräch durch ein kurzes Eingangsstatement meinerseits, in dem ich das enorme Potenzial von Open Data anhand von vier Argumenten dargelegt habe:
- Formales Argument: „öffentliche Gelder, öffentliche Daten“. Was wir mit unseren Steuern finanzieren, sollte uns allen frei zugänglich sein. Das sollte möglichst auch für alle amtlich erhobenen Daten gelten. Das ist eine Frage der Transparenz und der Fairness gegenüber allen Teilen der Gesellschaft.
- Demokratisches Argument: Unsere öffentlichen Verwaltungsdaten ermöglichen eine pluralistische Meinungsbildung und ein besseres Verständnis und die Nachvollziehbarkeit von wichtigen Themen wie Klima- und Artenschutz. Ich selbst nutze Open Data in meinem Klimadashboard für Sachsen. Ohne frei verfügbare offizielle Daten wäre das Projekt so nicht umsetzbar.
- Ökonomisches Argument: Open Data erlaubt es uns, schneller und effizienter auf Probleme jeglicher Art zu reagieren. In der Corona-Pandemie haben wir gesehen, wie entscheidend die Rolle von Daten ist. Wie der Informatiker und Data Scientist David Kriesel sagt: „Daten sind heute das, was früher die Erfahrungen waren.“ Er meint damit Erkenntnisse, die schnellere und effizientere Entscheidungen ermöglichen und damit positiv zur Digitalisierung beitragen können.
- Innovationsargument: Open Data ermöglicht neue Wertschöpfungsketten und Dienstleistungen. Die Open-Data-Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung aus dem Jahr 2016 zeigt, dass offene Verwaltungsdaten in Deutschland einen Mehrwert von über 43 Mrd. Euro pro Jahr erzeugen und etwa 20.000 Arbeitsplätze schaffen können. Am Besten lässt sich das aktuell an den enormen Entwicklungen im Bereich des maschinellen Lernens in Form von sogenannter generativer KI wie ChatGPT, DALL-E und Co. beobachten. Erst viele zur Verfügung stehende Daten haben diese Modelle möglich gemacht. Offene Daten können hier für mehr Transparenz bei den KI-Algorithmen sorgen.
Perspektive der sächsischen Verwaltung
Danach folgte direkt der erste Beitrag von Prof. Thomas Popp zur Perspektive der sächsischen Verwaltung. Er erklärte, dass im Sächsischen E-Government-Gesetz staatliche Behörden bereits zur Bereitstellung von Daten verpflichtet sind. Trotz der Existenz des sächsischen Open Data Portals mit rund 3500 Datensätzen, gibt es immer noch Raum für Verbesserungen. Popp betonte, dass mehr Akzeptanz für Open Data geschaffen und Vorbehalte abgebaut werden müssen. Viele verstehen noch nicht, um was es geht. Hier müssen auch die Kommunen noch besser mitgenommen werden, etwa durch das Digital-Lotsen-Programm des Sächsischen Städte- und Gemeindetags. Die Zusammenarbeit mit den Kommunen und Anpassungen der rechtlichen Regelungen wurden als wichtige Bereiche identifiziert. Vom parlamentarischen Raum wünscht sich Popp Unterstützung bei der E-Government-Novellierung und Werbung für mehr Akzeptanz durch lokale politische Akteure.
Perspektive aus dem Bund
Dr. Stefan Heumann berichtete als nächstes aus einer bundesweiten Perspektive. Er sieht das größte Potenzial von Open Data auf kommunaler Ebene. Er plädierte für eine stärkere Datennutzung und betonte die Bedeutung von konkreten Anwendungsfällen, welche für alle transparenter gemacht werden sollten. Anschließend stellte er den aktuellen Stand zum neuen Dateninstitut vor, welches Lösungsvorschläge bieten soll, und die Idee von Challenges und Pilotprojekten, bei denen Sachsen konkrete Beiträge leisten könnte. Prof. Thomas Popp hat das direkt aufgenommen und möchte sich mit anderen Bundesländern für eine mögliche Kooperation in Verbindung setzen.
Perspektive der Wirtschaft
Anschließend sprach Sophie-Odette Smolka zur Perspektive der Wirtschaft. Sie sprach über die Bedeutung von Daten für die Kreislaufwirtschaft und die Notwendigkeit der Digitalisierung in dieser Branche. Mit dem Projekt Catena-X soll ein standardisierter, unternehmensübergreifender Datenaustausch entlang von Lieferketten ermöglicht werden und somit eine bessere Darstellung der Wertschöpfung. Smolka wies auf die Bedeutung der Datensouveränität hin. Unternehmen möchten die Kontrolle darüber haben, welche Daten sie mit wem teilen. Es gibt Vorbehalte, dass Firmendaten sonst missbräuchlich genutzt werden könnten.
Perspektive der Zivilgesellschaft
Der letzte Beitrag kam von Julia Zimmermann zur Perspektive der Zivilgesellschaft. Sie präsentierte das Projekt „Leipzig gießt“ als Beispiel für ein gelungenes Projekt mit offenen Daten. Das Projekt nutzt das Baumkataster der Stadt Leipzig , um die Pflege von Stadtbäumen zu koordinieren. Zimmermann betonte die Bedeutung der Einbindung der Zivilgesellschaft, etwa das Zurückspielen der Daten zum Gießen durch die Leipzigerinnen und Leipziger in die Verwaltung. Sie wies auch auf Probleme hin, wie die oft zögerliche Haltung der Verwaltung Daten frei zu veröffentlichen, weil kein Mehrwert darin gesehen wird. Die Nützlichkeit von Daten lässt sich jedoch nicht immer Voraus bestimmen. Sie sprach sich für eine nachhaltige und standardisierte Veröffentlichung von Daten aus. Außerdem identifizierte sie das Betreiben von Projekten als eine Herausforderung, bei der die Unterstützung der Verwaltung benötigt wird, da aktuell die Kosten dafür bei der Zivilgesellschaft liegen.
Insgesamt verdeutlichten die Vorträge die vielfältigen Anwendungsfelder und Potenziale von Open Data sowie die bestehenden Herausforderungen. Die Expertinnen und Experten betonten die Notwendigkeit einer verstärkten Zusammenarbeit zwischen sächsischer Verwaltung, Kommunen, Wirtschaft und Zivilgesellschaft, um Open Data in Sachsen voranzubringen und das volle Potenzial auszuschöpfen.
Welche Fragen gab es aus dem Fachpublikum?
Im Anschluss an die Fachbeiträge durch die Expertinnen und Experten gab es die Möglichkeit für das Fachpublikum Fragen zu stellen und über alle Teilnehmenden hinweg zu beantworten.
Was sind konkrete Vorhaben um Open Data in Sachsen technisch voranzubringen?
Aus dem Fachpublikum erklärte ein Mitarbeiter vom Staatsbetrieb Sächsische Informatik Dienste (SID) die geplanten Weiterentwicklungen des Open Data Portals Sachsen. Zu den technischen Verbesserungen gehören die Entwicklung eines Dashboards für die Qualität von Metadaten (geplant bis Ende 2023), die Optimierung von Harvesting, Duplikaterkennung und Link-Checking, die Umstellung des Metadatenstandards auf DCAT-AP.de Spezifikation 2.0 sowie der Einbau einer niedrigschwelligen Feedback-Funktionalität, um etwa Datenwünsche anzumelden. Weitere Wünsche für die technische Entwicklung können auch direkt über den bereitgestellten Kontakt gestellt werden. Mit dem Doppelhaushalt 2021/22 wurden Mittel für diese Weiterentwicklungen bereitgestellt.
Ebenfalls aus dem Fachpublikum meldete sich eine Mitarbeiterin der Stadt Leipzig, zuständig für Open Data im Amt für Statistik und Wahlen. Sie wünscht sich eine zentrale Bündelung von Know-how zu typischen Problemen (Standardisierung von Datenfeldern, Best-Practice-Guides, One-Click-Lösungen) in einer zentralen Stelle auf Landesebene. Sie betonte, dass eine große Stadt wie Leipzig schon Probleme damit hat und kleinere Kommunen wohl noch größere Schwierigkeiten haben könnten. Staatssekretär Thomas Popp nahm die Anregung gerne auf.
Gibt es von Seiten der Staatsregierung Best-Practice-Beispiele, was die Veröffentlichung von Open Data betrifft? Wie wird die Wirksamkeit gemessen, bspw. auf dem Open Data Portal Sachsen?
Thomas Popp erklärte, dass derzeit kein Monitoring zur Wirksamkeit stattfindet. Er zeigte sich aber bereit, für gute Beispiele wie „Leipzig giesst“ über Sachsen hinaus Werbung zu machen.
Aus dem Fachpublikum wies ein Mitarbeiter vom Sächsischen Städte- und Gemeindetag in dem Zusammenhang auf Erkenntnisse und Erfahrungen aus Hackathons hin, wie etwa „Coding da Vinci“ als Beispiel für offene Daten in der Kultur.
Wie sollen Kommunen motiviert werden, qualitativ hochwertige Daten zur Verfügung zu stellen?
Laut Thomas Popp ist es notwendig, das Bewusstsein für die wirtschaftliche Attraktivität der Veröffentlichung von kommunalen Daten zu schärfen. Hierfür werde in den entsprechenden Gremien regelmäßig geworben, wie dem IT-Kooperationsrat als höchstes Gremium in Sachsen in Bezug auf Digitalisierung. Er betonte, dass die Kommunen Open Data gleichbedeutend wie die Digitalisierung von Verwaltungsleistungen verstehen müssten, um State-of-the-Art zu sein. Dieses Bewusstsein müsse sich noch in den 419 sächsischen Kommunen und 10 Landkreisen durchsetzen.
Was kann getan werden, um Unternehmen dazu zu bewegen mehr Open Corporate Data zu veröffentlichen?
Sophie-Odette Smolka betonte, dass keine allgemeingültige Antwort auf diese Frage gegeben werden kann. Sie erklärte, dass Daten, die die Substanz einer Firma betreffen, nicht an die Öffentlichkeit gelangen dürfen. Eine Veröffentlichung von unbedenklichen Daten ist aber sicherlich möglich. Um dies zu erreichen, muss ein rechtlicher Rahmen geschaffen werden, der Unternehmen unterstützt und schützt. Sensibilisierung und Aufklärung spielen dabei eine wesentliche Rolle. Die Entwicklung und Bereitstellung von Standards, wie die durch Catena-X, kann hilfreich sein, um Unternehmen in dieser Richtung zu lenken. Schließlich könnten auch staatliche Anreize in Form von Projektförderung und Investitionen in Open Data-Projekte die Bereitschaft der Unternehmen erhöhen, mehr ihrer Daten offen zu legen.
Was braucht es neben den reinen Daten noch für die Zivilgesellschaft?
Die Integration der Zivilgesellschaft in den Open Data-Prozess erfordert nach Meinung von Julia Zimmermann einen vielfältigen Ansatz. Sie berichtet von guten Erfahrungen mit Workshops und Hackathons vor Ort, die nicht nur zur Wissensvermittlung in beide Richtungen dienen, sondern auch dazu beitragen, Datenkompetenz (Data Literacy) zu vermitteln. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die klare Darstellung, dass die Mitarbeit der Zivilgesellschaft von Seiten der Verwaltung gewünscht und geschätzt ist. Dies kann durch eine Stellungnahme zum Ausdruck gebracht werden, die deutlich macht, dass die Kommune auch von anderen Akteuren gepflegt werden kann. Der Wissenstransfer zwischen der Zivilgesellschaft und der Verwaltung muss in beide Richtungen fließen, um das volle Potenzial zu erschließen. Zimmermanns Erfahrung aus Projekten wie „Leipzig giesst“ zeigt, dass die Akteure, wenn sie einmal aktiviert sind, immer mehr zu Multiplikatoren werden und ihre Kenntnisse und Begeisterung an andere weitergeben.
Welche Erkenntnisse nehme ich für meine weitere politische Arbeit mit?
Das Fachgespräch hat für mich interessante Einblicke gebracht, die eine solide Grundlage für meine weitere politische Arbeit ergeben, um Open Data in Sachsen voranzutreiben und eine inklusive, transparente und effektive Landschaft für offene Daten zu schaffen.
- Zentrale Kompetenzstelle: Es besteht der Bedarf an einer zentralen Anlaufstelle rund um Open Data. Sie könnte sowohl für Kommunen als auch für die Zivilgesellschaft als Experten- und Unterstützungszentrum fungieren. Diese Stelle sollte Fachwissen bündeln und gezielte Unterstützung in verschiedenen Bereichen bieten.
- Open by Default: Daten der Verwaltung, die nicht der Vertraulichkeit unterliegen, sollten standardmäßig der Öffentlichkeit frei zur Verfügung stehen. Dies würde die Verfügbarkeit offener Daten deutlich erhöhen und zugleich die Nachvollziehbarkeit staatlichen Handelns und die demokratische Teilhabe fördern.
- Aktive Kontaktmöglichkeit: Die Möglichkeiten für Feedback, Wünsche, Verbesserungen und die Einreichung von Datensätzen für das Open Data-Portal Sachsen sollten offensiver beworben werden, um eine breite Beteiligung zu fördern.
- Bedarfe Zusammenbringen: Es ist notwendig, die Bedürfnisse von Verwaltung (sowohl Land als auch Kommunen), Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft besser zu koordinieren und zu vernetzen. Eine stärkere Vernetzung kann Synergien schaffen und die Zusammenarbeit fördern.
- Förderung von Open Corporate Data-Projekten: Der Freistaat sollte die Entwicklung und Umsetzung von Open Corporate Data-Projekten fördern, um Unternehmen zur Teilnahme zu motivieren.
- Beteiligung am Dateninstitut: Der spannende Input zur Vorstellung des Dateninstituts hat das Interesse geweckt, sich dafür einzusetzen, dass Sachsen sich aktiv an den Challenges des Dateninstituts beteiligt. Auch sollte der Freistaat beim Aufbau und der Struktur des Dateninstituts zusammenarbeiten, auch im Zusammenwirken mit anderen Bundesländern.
- Public Cloud-Angebote: Die Bereitstellung von Public Cloud-Angeboten durch den Freistaat könnte die technische Umsetzung von zivilgesellschaftlichen Open Data-Projekten erleichtern.