Rede: Wiederaufnahme wirtschaftlicher Beziehungen mit Russland unter Putins Herrschaft nicht vorstellbar

Meine Gegenrede im Sächsischen Landtag zum Antrag der Fraktion AfD: „Nord Stream 1 und 2 reparieren“ (Drucksache 7/12479)

68. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Donnerstag, 16.03.2023, TOP 5

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrte Frau Präsidentin,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

um eins gleich vorweg zu stellen: Eine Wiederaufnahme wirtschaftlicher Beziehungen nach Ende des Krieges kann ich mir mit einem Russland unter der Herrschaft von Putin nicht vorstellen. Wenn dieser Krieg endet, und das ist hoffentlich bald, dann muss das erste Ziel die Aufklärung und juristische Verfolgung russischer Kriegsverbrechen sein. Außerdem müssen Reparationszahlungen an die Ukraine geleistet werden.

Unter keinen Umständen darf sich die blinde Wiederherstellung von einseitigen wirtschaftlichen Abhängigkeiten vom Kreml wiederholen. Diese haben wir gerade erst unter riesigen Kraftanstrengungen überwunden.

Fakt ist doch eins: Putin hat sich massiv verkalkuliert.

Er ist erstens davon ausgegangen, dass sich die Europäische Union zerstreitet. Dass er uns durch die viel zu hohe Abhängigkeit erpressen kann. Gerade das ist nicht passiert, ganz im Gegenteil. Die Europäische Union und die NATO stehen geschlossener als je vorher. Die NATO soll sogar erweitert werden.

Und zweitens dachte er, dass die Ukraine schnell kapituliert. Aber sie hat sich im vergangenen Jahr mit einem für mich unglaublichen Willen und einer unglaublichen Entschlossenheit unter hohen Kosten gegen den Aggressor gestemmt. Zu diesen hohen Kosten zähle ich vor allem die Kriegsverbrechen. Wir reden immer abstrakt von Kriegsverbrechen. Was heißt das eigentlich genau?

Vor kurzem war ich zur Vorführung zweier Filme von ukrainischen Regisseurinnen über die russische Invasion eingeladen. Dort wurden die grausamen Geschichten erzählt von Frauen, denen die Hände gebrochen wurden, damit sie sich bei der Gruppenvergewaltigung nicht wehren können – oder von Kriegsgefangenen die trockenes Brot, kochendes Wasser und 30 Sekunden Zeit bekommen zum Essen. Schauen Sie sich in ihrer Fraktion doch mal solche Filme an und dann sagen Sie mir, ob Sie immer noch Erdgas von Putin kaufen wollen? Ich nicht. Mit diesem Antrag verbreiten Sie, genau wie jeder andere mit derselben Botschaft, die Propaganda Putins. Dass wir hier über diesen Quatsch überhaupt diskutieren, ohne über Forderung eines Rückzugs der Truppen oder der Anerkennung der Grenzen von 1991 zu reden, ist doch absurd.

Und warum sollten wir denn überhaupt noch Gas von Putin kaufen?

Hier kommt wieder die Märchenstunde vom billigen und unverzichtbaren russischen Erdgas. Und nicht nur das – der Antrag suggeriert sogar, dass die Energiepreiskrise eine Folge der Zerstörung der Pipelines sei. Die russischen Gaslieferungen – über alle vorhandenen Pipelines – wurden einseitig von Putin erst vermindert, dann eingestellt. Das hat weder etwas mit fehlender Pipelinekapazität zu tun noch hat die EU die Erdgaslieferung über Pipelines sanktioniert.

Auch durch die aktuell noch funktionstüchtigen Pipelines kommt nur ein Bruchteil der möglichen Kapazität. Putin hat ganz bewusst die Angst vor einer potenziellen Gasmangellage geschürt. Eine Gasmangellage, die übrigens genauso wenig wie die von vielen herbeigeredeten Blackouts, eingetreten ist. Und was mussten wir uns hier nicht alles anhören zu Lastabwürfen, Blackouts, Brownouts oder Stromrationierungen. Nichts ist davon eingetreten. Nichts. Im Gegenteil: Die Gasspeicher sind bestens gefüllt.

Sie führen auch die Probleme für die Wirtschaft an. Dann rate ich erstens einen Blick an die Strombörse. Die Preise an den Großhandelsmärkten sind auf Vorkriegsniveau.

Und zweitens hätte sich für Sie auch ein Besuch in Cottbus bei der Lausitzkonferenz des BDEW sehr gelohnt. Dort hat die versammelte deutsche Energiewirtschaft, von VNG bis LEAG, ausschließlich nach grünen Gasen verlangt.

Normalerweise freue ich mich ja, wenn ich Recht behalte, hier hätte ich es gern nicht gehabt. In der Debatte zu Nord Stream 2 im Oktober 2020 hatte ich gesagt: „Die Pipeline wird niemals profitabel sein und ist eine Wette gegen die Erfüllung des Pariser Klimaabkommen, also gegen die Klimaziele der Bundesregierung und der EU, sie sabotiert die außen- und sicherheitspolitischen Interessen der EU und Deutschlands und schwächt EU Partner und Freunde.“

Nordstream 2 war eine Fehlentscheidung. Meiner Meinung nach wird immer noch viel zu wenig getan, um die Hintergründe dieser Fehlentscheidung, beispielsweise die Rolle der sogenannten Klimastiftung in Mecklenburg Vorpommern, aufzuklären. Wie kann es sein, dass dort eine Steuererklärung der Stiftung verbrannt wurde?

Wir müssen jetzt dafür sorgen, dass sich solche Fehlentscheidungen nicht wiederholen. Es braucht jetzt Investitionen in erneuerbare Infrastruktur und keine in die fossile Infrastruktur eines russischen Autokraten.

Für uns BÜNDNISGRÜNE steht fest: Wir stehen weiterhin uneingeschränkt solidarisch an der Seite der Ukraine und ihrer Verbündeten.

Wir lehnen den Antrag selbstverständlich ab, vielen Dank!